«Ein Putsch zu viel» - Nigers Nachbarn beraten über Militäreinsatz
Die Ecowas-Staaten haben heute getagt und sich über weitere Interventionen im Niger beraten. Ein Eingriff des Militärs wird nicht ausgeschlossen.
Das Wichtigste in Kürze
- Am heutigen Donnerstag tagten die Ecowas-Staaten Westafrikas.
- Eine militärische Intervention wird nicht ausgeschlossen.
- Diese würde allerdings viele Gefahren bergen.
Vor rund zwei Wochen fand die Machtübernahme des Militärs im Niger statt. Nun hat sich die westafrikanische Staatengemeinschaft Ecowas über das weitere Vorgehen gegen die Putschisten beraten. Nigerias Präsident Bola Tinubu sprach zum Auftakt des Ecowas-Gipfels über ihre «Pflicht», alle Möglichkeiten der Unterstützung auszuschöpfen. Sie wollen «eine rasche Rückkehr zu einer verfassungsmässigen Regierungsführung im Niger» gewährleisten.
«Bedauerlicherweise hat die siebentägige Frist, die wir während des ersten Gipfels gesetzt haben, nicht zu dem gewünschten Ergebnis geführt.» Er betonte erneut, dass Diplomatie Vorrang habe. Die Ecowas hatte kurz nach dem Putsch weitere Massnahmen bis hin zu einer Militärintervention angedroht. Die gesetzte Sieben-Tages-Frist verstrich am Sonntag.
Die Junta im Niger benannte unterdessen in der Nacht zum Donnerstag eine Regierung aus 21 Militärs und Zivilisten. Humanitäre Organisationen warnten derweil vor einer Hungerkrise im Land.
Ein Staatsstreich in einer entscheidenden Region
Der Niger war bis zum Staatsstreich ein strategisch wichtiger Verbündeter der USA und europäischer Länder. Ausserdem stellte sie die letzte Demokratie im Inneren der Sahelzone am Rand der Sahara dar. Frankreich und die USA haben dort wichtige Stützpunkte mit je mehr als 1000 Soldaten. Die Bundeswehr betreibt ein Logistik-Drehkreuz im Land.
Nach Putschen in den Nachbarstaaten Mali und Burkina Faso galt der Niger als letzter Partner in der Region. Diese wird seit mehr als einem Jahrzehnt von wachsendem islamistischen Terror heimgesucht und ist zu einem Zentrum des Dschihad geworden. Durch den Niger führt auch eine zentrale Migrationsroute über Libyen nach Europa.
Das 26-Millionen-Einwohner-Land mit der höchsten Geburtenrate der Welt ist dreieinhalbmal so gross wie Deutschland. Trotz Bodenschätzen wie Gold und Uran leben mehr als 40 Prozent der Bevölkerung in extremer Armut.
Präsident Bazoum regierte seit 2021. Es war der erste demokratischen Machtwechsel, seit der Niger 1960 seine Unabhängigkeit von Frankreich erlangte. Viermal kam es vor seiner Amtszeit bereits zu Militärputschen, zuletzt 2010.
«Ein Putsch zu viel» – Warum die Nachbarstaaten mit Militär drohen
Am 26. Juli hatte Nigers Präsidialgarde unter General Abdourahamane Tiani den Präsidenten in seiner Residenz festgesetzt. Mutmasslich weil dieser Beobachtern zufolge Tiani an der Spitze der Eliteeinheit auswechseln wollte.
Nach ersten Spekulationen über einen internen Machtkampf schlossen sich auch die anderen Zweige der Streitkräfte dem Putsch an. Sie verkündeten «das Ende des Regimes» und lösten alle verfassungsmässigen Institutionen auf. Tiani übernahm die Macht.
Für die Ecowas war es «ein Putsch zu viel», sagte die senegalesische Aussenministerin Aïssata Tall Sall. Der Niger ist das vierte von 15 Ecowas-Mitgliedsländern, in dem seit 2020 das Militär die Macht ergriffen hat. Dazu zählen auch Mali, Burkina Faso und Guinea.
Am 30. Juli verhängte die Ecowas Sanktionen gegen den Niger und forderte die Wiederherstellung der Verfassung binnen einer Woche. Ansonsten erwäge man auch Gewalt.
Experten sehen hinter der Drohung vor allem Nigerias Präsident Tinubu. Keine vier Wochen vorher hatte er bei seiner Übernahme des Ecowas-Vorsitzes die Verteidigung der Demokratie beschworen.
Mehrere Länder schliessen sich bei Intervention an
Einer möglichen Militär-Intervention würden sich der Senegal, die Elfenbeinküste und Benin anschliessen. Ein von Ecowas-Militärchefs erstellter Plan sieht Berichten zufolge eine Einsatztruppe von 25'000 Soldaten aus den vier Ländern vor.
Die meisten davon sollen aus Nigeria stammen, das mit rund 230'000 Soldaten über eine der grössten Armeen Afrikas verfügt. Die Ecowas hat mehrere erfolgreiche Einsätze in der Region durchgeführt – zuletzt 2017 im Gambia. Dabei handelte sie jedoch stets auf Einladung des jeweiligen Staats.
Gegen eine Militärintervention spricht Vieles
Die suspendierten Ecowas-Mitglieder Mali, Burkina Faso und Guinea stellten sich dagegen auf die Seite der Putschregierungen. Mali und Burkina Faso erklärten, jegliche Intervention auch als «Kriegserklärung» aufzufassen. Die Militärjunta im Niger schloss den Luftraum und stellt sich auf die Verteidigung ein.
Demonstrativ besuchte eine Delegation aus Mali Tiani zu Gesprächen über die militärische Zusammenarbeit. Währenddessen bekamen eine US-Spitzendiplomatin und Verhandlungsdelegationen der Ecowas ihn nicht zu Gesicht.
Nigers Militär ist auch vom Westen stark aufgebaut worden
Eine Interventionstruppe anderer Ecowas-Staaten könnte in einer Konfrontation durchaus auch unterlegen sein, meinen Militärexperten. Europäische Staaten hatten grosse Hoffnungen in den Niger gesetzt. Es sollte als «Anker» für die Stabilität in der Sahelregion ausgebaut werden. Der Niger selbst hatte noch 2020 angekündigt, die Zahl seiner Soldaten bis 2025 von 25'000 auf 50'000 zu verdoppeln.
In welche Richtung die Entscheidung von Ecowas gehen wird, war am Donnerstagnachmittag weitgehend unklar. Die Ecowas-Staatschefs tagten hinter verschlossenen Türen. Einen öffentlichen Zeitplan für die Entscheidungsfindung gab es nicht.