Das EU-Parlament hat der neuen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron eine empfindliche Niederlage zugefügt.
Sylvie Goulard bei ihrer zweiten Anhörung im Parlament
Sylvie Goulard bei ihrer zweiten Anhörung im Parlament - AFP

Das Wichtigste in Kürze

  • EU-Abgeordnete lehnen französische Kandidatin für nächste EU-Kommission ab.
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Mit grosser Mehrheit lehnten die Mitglieder der Parlamentsausschüsse für Industrie und Binnenmarkt am Donnerstag die französische Kandidatin für die neue EU-Kommission ab. Der Liberalen Sylvie Goulard wurden Vorwürfe zu ihrer finanziellen Integrität zum Verhängnis. Macron machte von der Leyen für das Debakel mitverantwortlich.

Gegen die 54-jährige Goulard läuft eine Untersuchung der EU-Betrugsbekämpfungsbehörde Olaf wegen Vorwürfen der Scheinbeschäftigung eines Assistenten auf Kosten des Europaparlaments. Auch in Frankreich beschäftigt die Angelegenheit die Justiz, weswegen Goulard 2017 nach nur einem Monat im Amt als Verteidigungsministerin zurückgetreten war. Inzwischen hat sie 45.000 Euro an das EU-Parlament zurückgezahlt, bestreitet jedoch jegliche «betrügerische Absicht».

Ausserdem wird der Liberalen angelastet, zwischen 2013 und 2015 - während ihrer Zeit als EU-Abgeordnete - als «Sonderberaterin» für das US-Institut Berggruen monatlich mehrere tausend Euro erhalten zu haben. Die Betrugsbekämpfungsbehörde Olaf bestätigte der Nachrichtenagentur AFP, dass auch in diesem Fall noch eine Untersuchung offen sei.

Die EU-Abgeordneten gaben sich in zwei Anhörungen mit den Antworten der Kandidatin zu diesen Angelegenheiten nicht zufrieden. Sie störten sich vor allem daran, dass Goulard ausschloss, automatisch zurückzutreten, sollte Anklage gegen sie erhoben werden. Letztendlich stimmten lediglich die liberalen Abgeordneten in den zuständigen Ausschüssen für die Französin, wie AFP aus Parlamentskreisen erfuhr.

«Man kann nicht auf der einen Seite in Frankreich für etwas zurücktreten, wofür man dem Europaparlament 45.000 Euro zurückzahlen musste, und auf der anderen Seite EU-Kommissarin werden wollen», erklärte der CDU-Abgeordnete Christian Ehler. Der finnische Grüne Ville Niinistö bewertete Goulards Auftritte inhaltlich gut, aber «die andauernden ethischen Fragen und ihr Unvermögen, damit umzugehen» hätten sie für das Amt einer EU-Kommissarin disqualifiziert.

Die Französin war als eine Art «Super-Kommissarin» für die Zuständigkeitsbereiche Industriepolitik, Binnenmarkt und Verteidigungsindustrie vorgesehen. Der SPD-Abgeordnete Jens Geier sieht auch darin einen Teil des Problems: «Das passiert, wenn man zu viele Hausaufgaben hat». Das Ressort sollte verkleinert werden.

Dieser Schritt dürfte allerdings auf Widerstand aus Frankreich treffen. Präsident Macron betonte nach der Ablehnung Goulards am Donnerstag, wie wichtig das Ressort für sein Land sei. Die Schuld für das Scheitern seiner Kandidatin sehe er zudem bei von der Leyen: Er habe ihr drei mögliche Kandidaten vorgeschlagen und «sie hat mir gesagt, ich will mit Sylvie Goulard arbeiten».

Von der Leyen ging auf die Vorwürfe aus Frankreich zunächst nicht ein. In einer Erklärung nahm sie die Entwicklung zur Kenntnis: «Die Nominierungen für Kandidaten aus Ungarn, Rumänien und Frankreich sind damit offen». Die rumänische Sozialdemokratin Rovana Plumb und der ungarische Konservative Laszlo Trocsanyi waren zuvor ebenfalls am Widerstand im EU-Parlament gescheitert.

Die ehemalige Bundesverteidigungsministerin rief nun alle am Verfahren beteiligten Akteure dazu auf «zügig» fortzufahren, damit «Europa rasch handlungsfähig wird». Am 23. Oktober soll das EU-Parlament von der Leyens Kommission als ganzes billigen, damit sie planmässig am 1. November ihre Arbeit aufnehmen kann.

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