Trotz erheblicher Differenzen unternehmen die EU und Grossbritannien noch einen Versuch, in letzter Minute doch noch ein Handelsabkommen nach dem Brexit zu vereinbaren.
EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen
EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen - POOL/AFP

Das Wichtigste in Kürze

  • Von der Leyen und Johnson sehen noch «erhebliche Differenzen» in zentralen Fragen.
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Wie EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Samstagabend sagte, einigte sie sich mit dem britischen Premierminister Boris Johnson in einem Telefonat auf eine Fortsetzung der Verhandlungen am Sonntag. Viel Zeit bliebt nicht : Von der Leyen will schon am Montagabend mit Johnson Bilanz ziehen.

Grossbritannien war zum 1. Februar aus der EU ausgetreten. Bis Jahresende bleibt es aber noch im EU-Binnenmarkt und in der Zollunion. Diese Übergangsphase wollten beide Seiten eigentlich nutzen, um ein Handelsabkommen auszuhandeln. Die Gespräche kommen aber seit Monaten kaum voran. Inzwischen ist die Zeit für eine rechtzeitige Ratifizierung eines möglichen Abkommens bis zum 1. Januar schon äusserst knapp.

In dem Telefonat hätten beide Seiten «die Tatsache begrüsst, dass in vielen Bereichen Fortschritte erzielt worden sind», hiess es in einer gemeinsamen Erklärung Johnsons und von der Leyens. Dennoch gebe es «nach wie vor erhebliche Differenzen in drei entscheidenden Fragen». Dabei gehe es um gleiche Wettbewerbsbedingungen, die Kontrolle eines künftigen Abkommens und die Fangrechte für EU-Fischer in britischen Gewässern.

Von der Leyen und Johnson betonten, «dass keine Einigung möglich ist, wenn diese Fragen nicht gelöst werden». Obwohl sie sich «des Ernstes dieser Differenzen» bewusst seien, hätten sie vereinbart, «dass unsere Verhandlungsteams weitere Anstrengungen unternehmen sollten, um zu beurteilen, ob sie gelöst werden können». Die Chefunterhändler seien aufgefordert worden, sich am Sonntag erneut in Brüssel zu treffen.

«Wir werden sehen, ob es einen Weg voran gibt», schrieb der EU-Unterhändler Michel Barnier nach dem Telefonat auf Twitter.

Die Bundesregierung äusserte ihre Zustimmung zu den weiteren Gesprächen. «Die Bundesregierung begrüsst die Fortsetzung der Verhandlungen über ein Handelsabkommen zwischen der Europäischen Union und Grossbritannien», erklärte ein Regierungssprecher am Samstagabend in Berlin. Zudem verwies er auf Äusserungen von Regierungssprecher Steffen Seibert vom Freitag, dass Deutschland ein Abkommen unterstütze, «aber eben auch nicht um jeden Preis». Deutschland hat noch bis Jahresende die EU-Ratspräsidentschaft inne.

«Eine Vereinbarung ist im besten Interesse aller», schrieb Irlands Regierungschef Micheal Martin auf Twitter. «Jede Anstrengung sollte unternommen werden, um einen Deal zu erreichen.»

Im EU-Parlament wuchs die Sorge, dass eine rechtzeitige Ratifizierung nicht mehr möglich sein könnte. «Dieses Wochenende ist wirklich allerletzte Eisenbahn für einen möglichen Vertrag», mahnte der Vorsitzende des Handelsausschusses, Bernd Lange (SPD), auf Twitter.

«Die Zeit läuft ab», schrieb auch der Vorsitzende der konservativen EVP-Fraktion im Europaparlament, Manfred Weber (CSU), in dem Online-Dienst. «Inmitten der Covid-Krise schulden wir es unseren Bürgern und Firmen, eine Vereinbarung zu finden» - «jetzt oder nie».

«Es ist fünf vor Zwölf», erklärte der Chef der Liberalen, Dacian Ciolos. Für Johnson sei es Zeit, «Menschen und Unternehmen» den Vorzug vor «Hardline-Ideologie» zu geben. Nötig sei ein Deal, der EU-Standards langfristig schütze und faire Wettbewerbsbedingungen für die Wirtschaft garantiere.

Der für die Beziehungen zu Grossbritannien zuständige Parlamentsausschuss soll am Sonntagnachmittag (16.00 Uhr) zusammenkommen. Es werde voraussichtlich «vor allem um Fischerei gehen», sagte ein Abgeordneter der AFP.

Dabei geht es um die Fangrechte von EU-Fischern in britischen Gewässern. Sie sind vor allem Küstenstaaten wie Frankreich, Spanien oder Dänemark wichtig. Paris hatte am Freitag sogar mit einem Veto gegen ein Handelsabkommen gedroht, wenn es hier zu keinem akzeptablem Kompromiss komme. Diplomaten zufolge könnten auch die EU-Botschafter der 27 Mitgliedstaaten am Sonntag zusammenkommen.

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