Frontex-Bericht kann Vorwürfe zur Zurückweisung von Migranten nicht klären
Eine Untersuchung zu Vorwürfen der Zurückweisung von Migranten unter Beteiligung der EU-Grenzschutzbehörde Frontex hat keine schlüssigen Ergebnisse erbracht.
Das Wichtigste in Kürze
- Arbeitsgruppe schlägt verbessertes Überwachungssystem bei Einsätzen vor.
Es sei nicht möglich gewesen, «die genauen Umstände bei fünf Vorfällen (....) vollständig zu klären», heisst es nach Informationen der Nachrichtenagentur AFP im Bericht einer Arbeitsgruppe, der am Freitag dem Frontex-Verwaltungsrat vorgelegt werden soll. Er fordert deshalb unter anderem eine Verbesserung des Überwachungssystems bei Frontex-Einsätzen.
Im Oktober hatten Medien über die angebliche Verwicklung von Frontex in die illegale Zurückweisungen von Asylbewerbern durch die griechische Küstenwache vor allem Richtung Türkei berichtet. Frontex-Beamte waren demnach seit April 2020 bei mehreren sogenannten Pushbacks in der Ägäis in der Nähe gewesen. Teils gibt es zu den Vorfällen Videos.
Dem Frontex-Bericht zufolge wurden seitdem 13 Vorfälle möglicher Pushbacks in der Ägäis geprüft. In acht Fällen sei geklärt worden, dass es keine illegale Zurückweisung gegeben habe. Bei fünf weiteren Vorfällen sei die Faktenlage unklar.
Die Arbeitsgruppe verwies mit Blick auf die Aufklärung auf «schwierige Bedingungen», unter denen die Frontex-Einsätze auf See stattfänden. Sie betonte, bei jedem Vorfall müsse das Verhalten der Migranten, der Schlepper und der türkischen Küstenwache berücksichtigt werden. Deshalb sei es oft schwierig, «im Nachhinein jeden Vorfall zu rekonstruieren».
Die Arbeitsgruppe, der auch drei Vertreter aus Deutschland angehören, sah deshalb «die Notwendigkeit, das Berichts- und Überwachungssystem» von Frontex vor Ort zu verbessern. Frontex-Überwachungsflugzeuge oder Boote sollten demnach bei Vorfällen in der Nähe bleiben, um diese vollständig zu dokumentieren - möglichst durch Video-Aufnahmen.
Darüber hinaus biete der bestehende Rechtsrahmen Frontex «nur begrenzte Möglichkeiten, auf gemeldete und überprüfte Verstösse zu reagieren», erklärte die Arbeitsgruppe. Sie verwies aber auch auf die in einem Zwischenbericht erhobene Forderung, eine «neue Kultur» bei Frontex mit Sitz in Warschau einzuführen. Ziel müsse es sein, ein Bewusstsein «für mögliches Fehlverhalten zu schaffen».
Wegen der Vorwürfe steht der französische Frontex-Chef Fabrice Leggeri massiv unter Druck. Abgeordnete des Europaparlaments verlangen seinen Rücktritt. Flüchtlings- und Menschenrechtsorganisationen haben zudem gefordert, den Frontex-Einsatz zur Unterstützung Griechenlands in der Ägäis auszusetzen oder zu beenden.
Diese Forderung wies die Arbeitsgruppe zurück. Eine solche Möglichkeit nach Artikel 46 der Frontex-Verordnung sei angesichts der ungeklärten Lage bei den verbliebenen Fällen «nicht gerechtfertigt», hiess es.
Frontex-Chef Leggeri steht am Donnerstagmittag einer im Europaparlament gebildeten Kontrollgruppe Rede und Antwort. Auch EU-Innenkommissarin Ylva Johansson nimmt an der Sitzung teil.
Wegen der Pushback-Vorwürfe ermittelt auch die EU-Betrugsbekämpfungsbehörde Olaf. Die Untersuchungen beziehen sich zudem auf Fälle von möglichem Fehlverhalten und Berichte über Schikanen innerhalb der Behörde. Auch einem Betrugsfall im Zusammenhang mit einem polnischen IT-Dienstleister der Behörde, der nicht umgehend gemeldet worden sein soll, gehen die Ermittler nach einem «Spiegel»-Bericht nach.