Generalstreik und neue Proteste in Bolivien
Im Streit um den Ausgang der Präsidentschaftswahl hat in Bolivien am Mittwoch ein Generalstreik begonnen.
Das Wichtigste in Kürze
- Land kommt nach Ungereimtheiten bei Präsidentschaftswahl nicht zur Ruhe.
Als Hochburg des Widerstands gegen den seit vielen Jahren amtierenden Präsidenten Evo Morales formiert sich die Wirtschaftshauptstadt Santa Cruz. Morales verurteilte den Streik als «Staatsstreich» und kündigte Massnahmen zur «Verteidigung» der Demokratie an.
Nach der Veröffentlichung von Teilergebnissen am Sonntagabend hatte alles auf eine Stichwahl zwischen dem sozialistischen Amtsinhaber Morales und seinem konservativen Herausforderer Carlos Mesa hingedeutet. Später veröffentlichte die Wahlkommission neue Teilergebnisse, wonach sich ein Sieg des seit 2006 regierenden Morales im ersten Wahlgang abzeichnet. Daraufhin waren Vorwürfe des Wahlbetrugs laut geworden.
In Santa Cruz gab es am Mittwoch Zusammenstösse zwischen Anhängern der rivalisierenden Präsidentschaftskandidaten. Zudem wurde der Sitz der Wahlbehörde in Brand gesetzt. In La Paz und anderen Orten kam es zu Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und Demonstranten. Der Vorsitzende des Bürgerkomitees von Santa Cruz, Luis Fernando Camacho, forderte die Wahlkommission auf, im Laufe des Tages klarzustellen, dass es eine Stichwahl um das Präsidentenamt geben werde.
Morales äusserte sich am Mittwoch das erste Mal seit der Wahl öffentlich. «Ein Putsch ist im Gange. Ich will, dass die Menschen in Bolivien das wissen. Bisher haben wir das demütig in Kauf genommen, um Gewalt zu vermeiden, und sind nicht auf Konfrontationskurs gegangen», sagte er.
Ein offizielles Gesamtergebnis der Wahl vom Sonntag lag weiter nicht vor. Nach Auszählung von rund 97 Prozent der Stimmen lag Morales bei 46,03 Prozent, sein Herausforderer Mesa bei 37,35 Prozent. Für einen Sieg in der ersten Runde benötigt ein Kandidat nach bolivianischem Wahlrecht entweder mehr als 50 Prozent der Stimmen oder mehr als 40 Prozent und mindestens zehn Punkte Abstand zum Zweitplatzierten.
Die Wahlkommission hatte die Auszählungen zwischenzeitlich ohne Begründung 20 Stunden lang ausgesetzt, bevor sie einen neuen Trend verkündete: Hatte Morales nach Auszählung von 84 Prozent der Stimmen noch mit 45,3 Prozent vor Mesa mit 38,2 Prozent gelegen, so veränderten sich die Anteile nach Auszählung von 95 Prozent der Stimmen auf 46,9 zu 36,7 Prozent.
Die Opposition warf dem sozialistischen Präsidenten daraufhin Wahlbetrug vor. Auch die Wahlbeobachter der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) erklärten, sie hätten einen «drastischen und schwer zu erklärenden Wandel» im Trend der Ergebnisse beobachtet. Der Vize-Vorsitzende des Wahlgerichts, Antonio Costas, erklärte seinen Rücktritt und kritisierte das Stimmauszählungsverfahren.
Morales, ein ehemaliger Kokabauer und der erste indigene Staatschef des südamerikanischen Landes, hatte bislang alle Präsidentschaftswahlen im ersten Wahlgang gewonnen. Erhat seit 2006 das höchste Staatsamt Boliviens inne, bei einer Wiederwahl könnte er bis 2025 im Amt bleiben.
Bereits die Kandidatur des 59-Jährigen für eine vierte Amtszeit war heftig umstritten. Boliviens Verfassung hätte eine weitere Kandidatur eigentlich nicht zugelassen. In einem Referendum 2016 stimmte die Bevölkerung gegen eine Änderung dieser Regelung. Das Verfassungsgericht räumte Morales jedoch 2017 das Recht auf eine Bewerbung für eine weitere Amtszeit ein.