Ein Häftling hat sich vor dem Bundesverfassungsgericht erfolgreich gegen eine Gerichtsentscheidung über Urinkontrollen unter Aufsicht gewehrt.
Polizisten vor Bundesverfassungsgericht
Polizisten vor Bundesverfassungsgericht - AFP/Archiv

Das Landgericht Bochum müsse erneut über seinen Antrag verhandeln, erklärte das Bundesverfassungsgericht am Mittwoch in Karlsruhe. Der Beschwerdeführer sitzt wegen schwerer räuberischer Erpressung im Gefängnis, wo es allgemeine Drogenscreenings gab und er unter Aufsicht eines Wärters Urin abgeben musste. (Az. 2 BvR 1630/21)

Dazu musste er seine Genitalien entblössen. Kurz nach den Kontrollen, im Januar 2021, beantragte er eine Gerichtsentscheidung und forderte, dass er zukünftig statt Urin Blut abgeben dürfe. Zudem wollte er festgestellt wissen, dass die Urinkontrollen - vier in vier Wochen - rechtswidrig gewesen seien. Sie hätten sein Schamgefühl erheblich verletzt und massiv in seine Intimsphäre eingegriffen.

Das Landgericht Bochum verwarf beide Anträge und erklärte, die Kontrollen seien rechtmässig. Es gehe auch um die Sicherheit im Gefängnis. Andere nicht manipulierbare Kontrollen erforderten körperliche Untersuchungen, die viel stärker in das allgemeine Persönlichkeitsrecht eingriffen. Das Oberlandesgericht Hamm verwarf die Beschwerde des Inhaftierten dagegen.

Beide Beschlüsse hob das Bundesverfassungsgericht nun auf. Der Gefangene sei in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt, erklärten sie. Zwar liessen sich im Strafvollzug Eingriffe, die den Intimbereich und das Schamgefühl berührten, nicht immer vermeiden. Sie seien aber von besonderem Gewicht, weswegen der Gefangene Anspruch auf besondere Rücksichtnahme habe. Diesem Anspruch würden die Gerichtsbeschlüsse aus Nordrhein-Westfalen nicht gerecht.

Das Landgericht hätte sich genauer mit den Fragen befassen müssen, erklärte Karlsruhe. So hätte es sich damit auseinandersetzen müssen, ob anlasslose beaufsichtigte Urinkontrollen unter Berücksichtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung im Gefängnis gerechtfertigt sein könnten.

Auch habe das Landgericht eine Gesetzesänderung nicht beachtet, derzufolge statt Urin Blut aus dem Finger abgegeben werden dürfe, wenn der Inhaftierte einwillige. Es hätte prüfen müssen, ob das Gefängnis die Blutabnahme anbieten müsse und ausserdem, ob eine derart häufige Urinkontrolle noch verhältnismässig sei.

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