Israels Parlament leitet Verfahren zur eigenen Auflösung ein
In Israel droht bereits sieben Wochen nach der Parlamentswahl im April ein erneuter Urnengang.

Das Wichtigste in Kürze
- Ministerpräsident Netanjahu kommt bei Regierungsbildung nicht voran.
Angesichts der Pattsituation bei den Koalitionsverhandlungen unternahm das israelische Parlament am Montag einen ersten Schritt in Richtung vorgezogener Neuwahlen. In einer vorbereitenden Lesung stimmten 65 von 120 Abgeordneten der Knesset für ein Gesetz, das die Auflösung des Parlaments vorsieht. Ministerpräsident Netanjahu sagte unterdessen, es bleibe noch genügend Zeit, um eine solche «unnötige» Wahl zu verhindern.
Ein erneuter Urnengang würde das Land «ein Vermögen kosten und uns alle für ein weiteres halbes Jahr lähmen», sagte Netanjahu nach der Abstimmung in der Knesset. «Es bleibt noch Zeit, und in 48 Stunden können wir vieles erreichen.»
Dem Regierungschef und seiner Likud-Partei ist es seit der Parlamentswahl am 9. April nicht gelungen, eine Regierungskoalition zu bilden. Die Frist zur Regierungsbildung läuft am Mittwochabend ab.
Eine von Netanjahu angestrebte Regierungskoalition rechter und religiöser Parteien scheiterte bisher am Widerstand des ehemaligen Verteidigungsministers Avigdor Lieberman und dessen Partei Israel Beitenu (Unser Haus Israel). Streitpunkt ist dabei die Frage, ob auch streng orthodoxe Juden in Zukunft zum Militärdienst verpflichtet werden.
Ein Gesetzentwurf Liebermans sieht das vor. Die streng religiösen Parteien wollen das aber nicht mittragen. Netanjahu ist auf die fünf Sitze von Israel Beitenu, aber auch auf die 16 Sitze der Orthodoxen angewiesen.
Die Likud-Partei hatte Israel Beitenu am Montag aufgefordert, einen Kompromiss zu schliessen. Lieberman aber sagte, er habe bereits Zugeständnisse gemacht und sei nicht bereit, noch weiter zu gehen. Er sei bereit für Neuwahlen, wenn nötig. «Es geht ums Prinzip», sagte Lieberman Journalisten. Netanjahus Unfähigkeit, eine Regierung zu bilden, nannte er ein «riesiges, nie dagewesenes Versagen».
Sollte es bis Mittwochnacht keine Einigung auf eine Regierungskoalition geben, könnte Präsident Reuven Rivlin Netanjahu weitere zwei Wochen gewähren oder ein anderes Parlamentsmitglied mit der Regierungsbildung beauftragen. Der Ministerpräsident könnte auch versuchen, eine Minderheitsregierung zu bilden.