Sieg für Le Pen, Denkzettel für Macron
Die Franzosen haben Präsident Emmanuel Macron einen Denkzettel verpasst: Bei der Europawahl verhalfen die Bürger den Rechtspopulisten von Marine Le Pen zum Sieg.
Das Wichtigste in Kürze
- Rechtspopulistin ruft zu Neuwahlen in Frankreich auf.
Ihre Partei Rassemblement National (RN, die frühere Front National) wurde am Sonntag laut Hochrechnungen mit mehr als 23 Prozent stärkste Kraft. Macrons Liste um die Regierungspartei La République en Marche (LREM) landete mit gut 22 Prozent nur auf dem zweiten Platz. Le Pens Partei sprach von einer «Ohrfeige» für Macron und forderte Neuwahlen.
Le Pen rief Macron auf, die Konsequenzen aus der Wahl zu ziehen und Parlamentsneuwahlen auszurufen. Unter dem Motto «Prenez le pouvoir» (Ergreift die Macht) hatte die Rechtspopulistin die Wahl zu einem «Referendum» gegen den Staatschef erklärt. Macron war in den vergangenen sechs Monaten durch die Proteste der «Gelbwesten»-Bewegung unter starken Druck geraten.
Macron selbst äusserte sich vorerst nicht zu der Niederlage. Der Staatschef hatte die Wahl zu einem Stimmungstest gegen Populisten ausgerufen. «Wir haben die Botschaft erhalten», sagte Premierminister Edouard Philippe für die Regierungsmehrheit, die auch die Liberalen umfasst. Als wahrscheinlich gilt nun eine Kabinettsumbildung, bei der womöglich auch Philippe ausgetauscht wird.
Macron wollte nach Angaben aus seinem Umfeld noch am Sonntagabend mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und anderen europäischen Staats- und Regierungschefs telefonieren, um den Sondergipfel in Brüssel am Dienstag vorzubereiten. Macron wollte demnach zu einer Allianz der «Fortschrittsorientierten» im Europaparlament aufrufen, der neben Liberalen auch moderate Konservative und Sozialdemokraten angehören sollen.
Le Pens Partei rief zur Bildung einer «mächtigen Gruppe» im Europaparlament auf. Sie will mit der AfD und anderen Rechtspopulisten, Europafeinden und Nationalisten ein neues Bündnis namens «Europa des gesunden Menschenverstandes» (Europe of common sense) schmieden, das den europäischen «Eliten» den Kampf angesagt hat.
Als Spitzenkandidat hatte Le Pen den erst 23-jährigen Jordan Bardella ins Rennen geschickt, der nun ins Europaparlament einzieht. Sie selbst will Abgeordnete in der Pariser Nationalversammlung bleiben.
Für eine Überraschung sorgten die französischen Grünen: Sie landeten mit rund 13 Prozent auf dem dritten Platz, vor den konservativen Republikanern von Ex-Präsident Nicolas Sarkozy, die auf gut 8 Prozent abstürzten - weniger als halb so viel wie bei der Wahl vor fünf Jahren.
Auch die Sozialisten als frühere Regierungspartei unter Präsident François Hollande wurden abgestraft: Sie kamen nur auf gut sechs Prozent. Zwei Listen von «Gelbwesten»-Aktivisten scheiterten an der in Frankreich geltenden Fünf-Prozent-Hürde. Sie kamen laut den Prognosen zusammen auf unter ein Prozent. Das offizielle Endergebnis soll laut französischem Innenministerium erst in den frühen Morgenstunden vorliegen.
Die Wahlbeteiligung stieg in Frankreich wie auch in anderen Ländern deutlich an: Sie könnte laut den Schätzungen am Ende bis zu 54 Prozent erreichen - das wäre der höchste Wert seit 1994. Bei der letzten Europawahl 2014 hatten sich nur gut 42 Prozent beteiligt.