In Israel finden Massenproteste statt, ein Abkommen zur Geisel-Freilassung wird gefordert. Die Wut richtet sich immer mehr gegen den Ministerpräsidenten.
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Protestierende in Tel Aviv, Israel, fordern ein Waffenstillstandsabkommen und die sofortige Freilassung der von der Hamas festgehaltenen Geiseln. - keystone

Hunderttausende Menschen in Israel besetzen seit Sonntag Strassen und Bahnhöfe. Der Fund der von der Hamas getöteten sechs Geiseln hat enorme Massenproteste in dem Land ausgelöst. Der Dach-Gewerkschaftsbund Histadrut rief am Montag einen Generalstreik aus.

Dieser musste jedoch nur Stunden später beendet werden, wie die «Zeit» schreibt. Das Arbeitsgericht in Tel Aviv untersagte ihn mit der Begründung, dass der Streik politisch motiviert sei. Im Juni hatte die protestierende Bevölkerung vom Vorsitzenden des Gewerkschaftsbundes, Arnon Bar-David, Unterstützung gefordert.

Generalstreik von Netanjahu verurteilt

Bar-David hatte sich damals noch gegen die Organisation eines Generalstreiks ausgesprochen. Er begründete, die Veranstaltung politisch motivierter Streiks sei nicht Aufgabe des Dachverbands.

Dass der Generalstreik nun doch ausgerufen worden war und die Wirtschaft in Israel lahmzulegen drohte, wird von Israels Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu verurteilt. Laut ihm gleiche die Aktion der Aussage: «Sinwar − nachdem ihr sechs Geiseln ermordet habt, unterstützen wir euch.»

Israel leidet unter der Geisel-Situation

Netanjahu räumte jedoch ein, dass es ihm Leid täte, die Geiseln «nicht zurückgebracht» zu haben. Bar-David richtete daraufhin deutliche Worte gegen den Ministerpräsidenten: «Ein Premierminister, unter dessen Aufsicht das jüdische Volk die grösste Katastrophe seit dem Holocaust erlitten hat, sollte seine Bemühungen in die Rückkehr unserer Söhne und Töchter investieren, damit sie lebendig und nicht in Särgen zurückkehren.»

Die Hamas hatte die Ermordung der sechs Geiseln per Kopfschuss vollzogen und am Montag anschliessend Fotos veröffentlicht, welche die Opfer noch lebend zeigten. Zudem will die Terrororganisation kurz vor der Hinrichtung ein Video mit den Geiseln gedreht haben, mit dessen Veröffentlichung sie nun droht.

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Israelis entzünden ein Feuer während der Massenproteste.
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Kurz darauf werden sie in Rauch gehüllt, als die Polizei die Flammen löscht.
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Polizisten drängen Demonstranten beiseite, die eine Strasse blockieren.

Wie die Zeitung weiter berichtet, verschiebt sich die Wut der Bevölkerung mittlerweile: Statt der Hamas, welche den Gaza-Krieg auslöste, richtet sie sich immer mehr gegen Netanjahu. Ihm wird vorgeworfen, nicht genug zur Rettung der Geiseln zu unternehmen.

Umfragen: Netanjahu soll Amt aufgeben

Adi und Yael Alexander, die Eltern einer der Geiseln, schrieben am Montag in der «New York Times»: «Herr Ministerpräsident, wir fordern Sie auf, unsere gemeinsamen jüdischen Werte hochzuhalten und den Geiseln, deren Leben in Ihren Händen liegt, Priorität einzuräumen.» Zeitweise hatte die Mehrheit der Bevölkerung in Umfragen angegeben, dass Netanjahu sein Amt als Ministerpräsident ablegen sollte.

Netanjahu rechtfertigt seine Vorgehensweise und das Nicht-Zustandekommen eines Waffenstillstands derweil damit, dass die Hamas die Schuld an allem trage. Die Hamas forderte als Voraussetzung für einen Deal, dass Israel seine Truppen im Philadelphi-Korridor abziehen solle. Netanjahu betonte am Montagabend, dass er dieser Forderung nicht nachkommen würde.

Geisel-Verwandte erheben deutliche Vorwürfe

Danny Elgarat, der Bruder einer Geisel, warf dem Ministerpräsidenten in Folge vor: «Du willst keine Einigung, du willst den Philadelphi-Korridor in ein Massengrab verwandeln.»

Und auch der Vater einer der Geiseln, Eli Elbag, äussert: «Wer behauptet, diese Proteste seien politisch, sollte sich schämen. Wenn jemand meint, die Sicherheit des Landes sei politisch, kann er zur Hölle fahren.»

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