Studie: Alleinerziehende Familien haben höchstes Armutsrisiko
Für alleinerziehende Familien ist das Armutsrisiko einer Studie zufolge grösser als bei jeder anderen Familienform. Grund dafür ist nicht nur Arbeitslosigkeit.
Das Wichtigste in Kürze
- Viele deutsche Ein-Eltern-Familien können Existenzminimum trotz Arbeit nicht decken.
- Somit ist das Armutsrisiko bei dieser Familienform deutlich höher als bei Paarfamilien.
- Dies zeigte eine Studie mit dem Titel «Alleinerziehende weiter unter Druck».
In Deutschland gelten 42,7 Prozent aller Ein-Eltern-Familien als einkommensarm, wie aus der am Donnerstag vorgestellten Untersuchung der Bertelsmann-Stiftung hervorgeht. Von allen Kindern, die Hartz-IV-Kindersätze beziehen, leben demnach 45 Prozent in alleinerziehenden Familien. Bundesfamilienministerin Christine Lambrecht (SPD) hob die Bedeutung der eigenen Erwerbstätigkeit der Mütter schon in der Zeit vor der Trennung hervor.
Der Studie zufolge ist das grosse Armutsrisiko allerdings nicht allein auf Arbeitslosigkeit zurückzuführen. Denn: 40 Prozent aller alleinerziehenden Hartz-IV-Empfänger sind erwerbstätig. Jedoch reicht ihr Einkommen nicht aus, um das Existenzminimum für sich und ihre Kinder zu decken.
Im Jahr 2019 lebten der Studie zufolge 1,52 Millionen alleinerziehende Familien mit nicht volljährigen Kindern in Deutschland. Das entspreche einem Anteil von 18,6 Prozent aller Familien. 88 Prozent aller Alleinerziehenden seien Frauen.
Gegenüber Müttern, die in einer sogenannten Paarfamilie mit Kindern leben, seien alleinerziehende Frauen häufiger erwerbstätig und arbeiteten häufiger in Vollzeit. Über die Hälfte von ihnen musste im Jahr 2017 dennoch mit einem monatlichen Nettoeinkommen unter 1700 Euro auskommen. Alleinerziehende Väter hätten im Schnitt 2461 Euro netto zur Verfügung gehabt.
Von beiden Eltern wird Vollzeitbeschäftigung erwartet
Geschiedene Alleinerziehende mit Kindern über drei Jahren haben seit 2008 keinen Anspruch mehr auf Unterhaltszahlungen vom ehemaligen Partner. Ist das jüngste Kind älter als drei Jahre, werde von beiden Elternteilen eine Vollzeitbeschäftigung erwartet.
Ein Wiedereinstieg in den Beruf sei jedoch nicht für alle Mütter möglich. Während Frauen durch die Kindererziehung langfristig deutliche Einkommensverluste verzeichneten, wirke sich das Vaterwerden nicht auf das Lebenserwerbseinkommen von Männern aus. Die Studie «Alleinerziehende weiter unter Druck» basiert auf Daten des Statistischen Bundesamts in Wiesbaden aus dem Jahr 2019.
Bundesfamilienministerin Lambrecht erklärte: «Die Situation von Alleinerziehenden hängt stark von der Zeit vor der Trennung ab.» Die eigene Erwerbstätigkeit der Mütter schon in der Partnerschaft sei entscheidend, um wirtschaftliche Belastungen nach einer Trennung zu verringern. Lambrecht verwies darauf, dass die Bundesregierung die Vereinbarkeit von Familie und Beruf unterstütze. Weiterhin fördere sie durch Leistungen wie Elterngeld und ElterngeldPlus die Partnerschaftlichkeit, welche sich im Fall einer Trennung positiv auswirke.
Die stellvertretende DGB-Vorsitzende Elke Hannack nannte es «eine Schande, dass Armut im reichen Deutschland immer noch ein solches Ausmass hat». Wie sich die Situation Alleinerziehender verbessern lasse, sei längst bekannt, betonte Hannack. Nötig sei eine starke Tarifbindung, ein Mindestlohn von mindestens zwölf Euro und die Umwandlung von Minijobs in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung. Gebraucht werde zudem eine Kindergrundsicherung.
Bundesregierung habe «komplett versagt»
Auch Linken-Bundestagsfraktionschef Dietmar Bartsch forderte: «Wir brauchen eine Kindergrundsicherung, die kein Kind in Armut zurücklässt.» Dazukommen müssen höhere Löhne und die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, insbesondere für Alleinerziehende.
Der Sozialverband VdK übte scharfe Kritik an der Bundesregierung. Diese habe bei der Unterstützung Alleinerziehender «komplett versagt», erklärte VdK-Präsidentin Verena Bentele. «Viele Alleinerziehende reiben sich zwischen Beruf, Kindererziehung und Haushalt auf und bleiben trotz Arbeit arm.»