Tausende demonstrieren in Algier gegen umstrittene Präsidentenwahl
Begleitet von Massenprotesten und Unruhen hat am Donnerstag in Algerien die umstrittene Präsidentschaftswahl stattgefunden.
Das Wichtigste in Kürze
- Unruhen in nördlicher Region Kabylie - Geringe Wahlbeteiligung abzusehen.
In der Hauptstadt Algier demonstrierten trotz hoher Polizeipräsenz etwa zehntausend Menschen gegen die Abstimmung. In der nördlichen Bergregion Kabylie wurden nach Augenzeugenberichten Wahllokale angegriffen und Wahllisten zerstört. Die Algerier waren aufgerufen, einen Nachfolger für den vor acht Monaten zurückgetretenen Staatschef Abdelaziz Bouteflika zu bestimmen. Anhänger der seit Februar demonstrierenden Protestbewegung forderten die Menschen zum Boykott der Wahl auf.
Rund zehntausend Demonstranten gingen in Algier auf die Strasse, wie Journalisten der Nachrichtenagentur AFP berichteten. Die Polizei hatte zuvor versucht, eine Kundgebung gewaltsam zu verhindern. Die versammelte Menge schaffte es jedoch, eine Polizeiabsperrung zu durchbrechen und auf einen symbolisch wichtigen Platz im Herzen der Stadt zu gelangen. In einem Wahllokal musste sogar die Wahl kurzzeitig unterbrochen werden.
In der Region Kabylie kam es an mehreren Orten zu Unruhen. Angreifer sollen Wahlurnen durchwühlt und Wahllisten teilweise zerstört haben, sagte ein Bewohner der Stadt Bejaia der AFP. In anderen Städten der Region versammelten sich Menschen um Wahllokale und strömten aus Protest gegen die Abstimmung auf die Strassen. In der Region leben viele Menschen der Berber-Minderheit, die der Zentralregierung in Algier kritisch gegenüberstehen.
Zu der umstrittenen Abstimmung wurden fünf von insgesamt 23 Bewerbern zugelassen. Drei der Kandidaten gehörten früheren Regierungen von Bouteflika an, davon zwei als Ministerpräsidenten. Anhänger der Protestbewegung werfen den Kandidaten deswegen Nähe zu den alten Eliten Algeriens vor. Die Wahlkampfauftritte der Bewerber zogen kaum Anhänger an. Keiner der fünf Kandidaten könne darauf hoffen, in den Augen der Demonstranten legitimiert zu sein, sagte der Nordafrika-Experte Anthony Skinner.
Drei Stunden nach Öffnung der Wahllokale lag die Wahlbeteiligung bei unter acht Prozent, sagte Wahlleiter Mohamed Charfi. Bei der letzten Präsidentenwahl lag sie zur gleichen Zeit bei über neun Prozent. Auf eine niedrige Wahlbeteiligung deutete bereits das geringe Interesse der im Ausland lebenden Algerier an dem Votum hin. Die gemeinhin als konservativ geltende Exilgemeinde konnten seit Samstag ihre Stimme abgeben, doch die Wahllokale im Ausland blieben weitgehend verwaist.
Tausende Demonstranten forderten noch am Mittwoch in der Hauptstadt Algier eine Absage der Wahlen und eine Absetzung der gesamten alten Elite. «Keine Abstimmung», forderten sie in Sprechchören. Ihr Zorn richtete sich insbesondere gegen Armeechef Ahmed Gaid Salah, der seit Bouteflikas Sturz der starke Mann in dem nordafrikanischen Land ist.
Die Protestbewegung, die sich im Februar formierte, hatte den seit 20 Jahren herrschenden Bouteflika im April wenige Wochen vor dem offiziellen Ende seiner vierten Amtszeit zum Rücktritt gezwungen. Eine für den 4. Juli geplante Wahl seines Nachfolgers wurde aus Mangel an Kandidaten verschoben. Die Protestbewegung fordert weitreichende politische Reformen vor einem Urnengang und lehnte deshalb auch den neuen Wahltermin ab.