Donzallaz hatte zum Ärger vieler bürgerlicher Parlamentarier die Herausgabe der UBS-Kundendaten an Frankreich befürwortet. Dies führte zu Druckversuchen.
CVP-Bundesrichter Thomas Stadelmann hat zwar im UBS-Fall «verloren», hält aber die Abwahldrohungen an seinen SVP-Bundesrichter-Kollegen Yves Donzallaz für problematisch. (Archivbild)
CVP-Bundesrichter Thomas Stadelmann hat zwar im UBS-Fall «verloren», hält aber die Abwahldrohungen an seinen SVP-Bundesrichter-Kollegen Yves Donzallaz für problematisch. (Archivbild) - sda - KEYSTONE/GAETAN BALLY

Das Wichtigste in Kürze

  • Der SVP-Richter Donzallaz hatte die Herausgabe von UBS-Kundendaten befürwortet.
  • Dafür erntete er viel Kritik aus den Reihen bürgerlicher Parlamentarier.
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Für den im UBS-Fall unterlegenen Luzerner CVP-Bundesrichter Thomas Stadelmann sind die Nichtwiederwahldrohungen gegen SVP-Richterkollege Yves Donzallaz nach dem Urteil eine Bedrohung der Gewaltentrennung. Die politischen Druckversuche hätten jüngst zugenommen.

Donzallaz hatte zum Ärger vieler bürgerlicher Parlamentarier die Herausgabe der UBS-Kundendaten an Frankreich befürwortet, Stadelmann war dagegen.

Das Urteil war umstritten und wurde mit 3 zu 2 Richterstimmen gefällt.

Abwahldrohung falsche Reaktion

Er habe schon zweimal erlebt, dass Richter in den Ausstand getreten sind aus Angst, von ihrer Partei «in den Senkel gestellt zu werden», erklärte Stadelmann am Dienstag in einem Interview mit den Onlineportalen des CH-Media-Verlags.

Er könne zwar nachvollziehen, so Stadelmann, dass eine Partei sich von einem Richter nicht mehr vertreten fühle, weil er sich zu stark von den Grundüberzeugungen der Partei entfernt habe. Eine Abwahldrohung nach einem einzelnen Urteil sei jedoch «die falsche Reaktion».

Wenn man Richter abstrafe, weil sie nicht auf Parteilinie urteilten, passiere genau das, was niemand wolle: Richter entschieden gemäss Parteibuch anstatt nach bestem Wissen und Gewissen.

Falls sich plötzlich eine parteiübergreifende Allianz gegen Richter bilden sollte, sei die Unabhängigkeit in Gefahr, so Stadelmann. Die Richter müssten um ihren Job bangen und würden nicht mehr frei, gestützt auf Gesetz und Verfassung, urteilen.

Wahlprozedere für Bundesrichter regelmässig debattiert

Das Wahlprozedere für Bundesrichter ist regelmässig Gegenstand von öffentlichen Debatten. Ende August soll eine Volksinitiative eingereicht werden, die verlangt, dass Bundesrichter nicht mehr vom Parlament, sondern durch das Los bestimmt werden, um deren Unabhängigkeit zu gewährleisten.

Stadelmann sieht im Moment jedoch keine Alternative zum geltenden Verfahren. Demnach werden Richterstellen gemäss Parteienstärke im Eidgenössischen Parlament besetzt, damit das gesamte Spektrum an Werthaltungen abgedeckt ist. Aber dieser Parteienproporz habe auch Nachteile.

So haben gut qualifizierte Juristen, die keiner Partei angehören oder beitreten wollen, keine Chance, Bundesrichter zu werden. Zudem, so der 60-jährige Bundesrichter, würden manchmal die Ansprüche der Parteien höher gewichtet als die Qualität der Kandidierenden.

Vorbehalte hat Stadelmann auch gegenüber der Praxis, dass Bundesrichter alle sechs Jahre wieder gewählt werden müssen. Die nächste Gesamterneuerungswahl steht 2020 an.

Bundesrichter besser schützen

Die Bundesrichter könnten besser vor der Einflussnahme durch die Politik geschützt werden, wenn sie für eine bestimmte Amtsdauer gewählt würden, zum Beispiel für 15 Jahre, wie das international die Norm sei. Mit 68 müsste aber Schluss sein.

Allerdings müsste eine solche Reform an ein Amtsenthebungsverfahren gekoppelt sein, so Stadelmann. «Wenn Bundesrichter fachlich nicht überzeugen und unfähig sind, ihr Amt auszuüben, muss man sie entlassen können.»

Schon im September 2014 hatte alt Bundesrichter Claude Rouiller (SP) in einem Zeitungsinterview das aktuelle Verfahren kritisiert. Er sprach sich für Wahlen aus, bei welcher die Parteizugehörigkeit keine Rolle spielt. Das enge Verhältnis zur Partei, die die Richter repräsentieren, sei nicht gesund. Auch er war für eine längere Amtszeit: «Das Risiko, nicht wieder gewählt zu werden, schadet der Unabhängigkeit der Magistraten.»

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