GLP Solothurn gegen Stimmpflicht: «Widerspricht liberalem Grundsatz»
Im Interview spricht Simone Rusterholz (GLP) über die Forderung nach einer Stimmpflicht im Kanton Solothurn.
Das Wichtigste in Kürze
- Thema der Juni-Session des Solothurner Kantonsrats ist die Einführung einer Stimmpflicht.
- Gefordert wird dies, damit wieder eine höhere Stimmbeteiligung erreicht werden kann.
- Simone Rusterholz (GLP) lehnt den Vorschlag ab. Sie will auf andere Massnahmen setzen.
Könnte es im Kanton Solothurn bald eine Pflicht geben, bei Abstimmungen und Wahlen seine Stimme abzugeben? Gefordert wird genau dies in einem interfraktionellen Auftrag. Der Kantonsrat behandelt das Thema an der Juni-Session.
Bisher äusserte sich Johanna Bartholdi (FDP) im Interview. Sie gab an, den Vorschlag zu unterstützen, «manchmal muss man die Menschen zu ihrem Glück zwingen». Im nächsten Teil der Interviewreihe äussert sich die GLP-Kantonsrätin Simone Rusterholz.
Nau.ch: Befürworten Sie die Einführung einer Stimm- und Wahlpflicht im Kanton Solothurn?
Simone Rusterholz: Nein, ich persönlich und auch die GLP-Fraktion erachten eine Stimm- und Wahlpflicht als falschen Weg. Sie widerspricht unserem liberalen Grundsatz.
Die Stimmberechtigten sollen selber entscheiden dürfen, ob sie am politischen Leben teilhaben wollen oder nicht. Selbstverständlich würden wir aber eine höhere Stimm- und Wahlbeteiligung begrüssen.
«Deutet darauf hin, dass es den Stimmberechtigten eher darum geht, einer Busse zu entgehen»
Nau.ch: Schaffhausen ist aktuell der einzige Kanton mit einer Stimm- und Wahlpflicht. Bei Abstimmungen oder Wahlen weist man fast immer die höchste Stimmbeteiligung auf. Wäre für Solothurn eine ähnlich positive Entwicklung zu erwarten?
Rusterholz: Die Stimm- und Wahlbeteiligung im Kanton Schaffhausen ist tatsächlich jeweils höher als in den anderen Kantonen, aber offenbar auch der Anteil an ungültigen Stimmen und Leerstimmen. Das deutet darauf hin, dass es den Stimmberechtigten eher darum geht, einer Busse zu entgehen, als sich fundiert mit der Materie auseinanderzusetzen und entsprechend dem eigenen Willen seine Meinung zu äussern.
Nau.ch: Bei Menschen, die bisher nicht wählen oder abstimmen gingen, liegt die Vermutung nahe, dass sich diese kaum mit der Materie beschäftigen würden. Befürchten Sie, dass es dadurch zu willkürlichen Wahl- und Abstimmungsergebnissen kommt?
Rusterholz: Ob die zusätzlichen Stimmen das Ergebnis zu beeinflussen vermöchten, ist schwer zu beantworten. Es ist wohl davon auszugehen, dass sich die zusätzlichen Stimmberechtigten von Dritten oder den Medien beeinflussen lassen würden und nicht völlig willkürlich entscheiden würden.
Hinzu kommt: Auch der Kanton Schaffhausen kennt Ausnahmen von der Stimm- und Wahlpflicht. So reicht offenbar bereits das blosse Retournieren des Stimmrechtsausweises innert drei Tagen nach der Wahl oder Abstimmung als Entschuldigungsgrund.
Nau.ch: In welcher Höhe sollte eine allfällige Busse angesetzt sein und für welchen Zweck sollten die Einnahmen ihrer Meinung nach verwendet werden?
Rusterholz: Die Busse müsste unserer Auffassung nach kostendeckend sein für den Aufwand, der entsteht, wenn sie nicht bezahlt wird und als Schuld einzutreiben ist. Dies ist bei einer Höhe von sechs Franken, die im Kanton Schaffhausen gilt, nicht gegeben. Wie hoch sie sein müsste, wäre zu berechnen.
«Abstimmungsunterlagen so vereinfachen, dass sie auch von Menschen mit geringer Schulbildung verstanden werden»
Nau.ch: Welche alternativen Massnahmen schlagen Sie vor, um für eine höhere Stimmbeteiligung zu sorgen?
Rusterholz: Der Ansatz müsste unserer Auffassung nach sein, die Wahl- und Abstimmungsunterlagen so zu vereinfachen, dass sie auch von Menschen mit geringer Schulbildung verstanden werden. Meine Hoffnung ist, dass sich dadurch mehr Stimmberechtigte an Wahlen oder Abstimmungen beteiligen würden. Aktuell sind die Unterlagen nämlich auch für mich als Juristin je nach Themengebiet nur schwer verständlich.
Auch die kurzen Videos, die Easyvote für gewisse Abstimmungen erstellt, finde ich gut. Sie machen komplizierte Vorlagen allgemein verständlich.
Zudem ist die politische Bildung in der Schule wichtig. Wie stark dabei aber in die Tiefe gegangen wird, hängt von den einzelnen Lehrpersonen ab. Diese halten sich offenbar teilweise auch deswegen etwas zurück, weil sie sich dem Vorwurf aussetzen könnten, nicht unabhängig zu unterrichten. Das ist schade.
Zur Person: Simone Rusterholz (52) ist als GLP-Kantonsrätin in Solothurn tätig. Sie wohnt in Biberist und arbeitet im Bundesamt für Polizei (Fedpol) in der Rechtsabteilung.