Grüne SO: «Stimmpflicht steht dem Demokratiegedanken entgegen»

Thierry Ehrsam
Thierry Ehrsam

Solothurn,

Eine Stimm- und Wahlpflicht im Kanton Solothurn lehnt Anna Engeler (Grüne) ab. Statt auf Zwang will die Politikerin auf positive Anreize setzen.

Solothurn Stimmpflicht Wahlpflicht
In Solothurn wird über die Einführung einer Stimm- und Wahlpflicht diskutiert. (Symbolbild) - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • In Solothurn könnte es künftig eine Stimm- und Wahlpflicht geben.
  • Gefordert wird dies in einem interfraktionellen Auftrag, der dem Kantonsrat vorliegt.
  • Anna Engeler (Grüne) ist gegen die Forderung. Sie will andere Anreize setzen.

An der Juni-Session des Solothurner Kantonsrats ist die Einführung einer Stimm- und Wahlpflicht Thema. Mit dem Vorstoss soll die Stimmbeteiligung erhöht und dadurch die Legitimation von demokratischen Entscheiden gestärkt werden.

Nau.ch hat bisher mit Johanna Bartholdi (FDP) und Simone Rusterholz (GLP) gesprochen. Während die FDP für den Vorstoss ist, lehnt ihn die GLP ab. Als Nächste äussert sich Anna Engeler, Fraktionspräsidentin der Grünen.

Nau.ch: Befürworten Sie die Einführung einer Stimm- und Wahlpflicht im Kanton Solothurn?

Anna Engeler: Kurz und bündig: Nein.

Anna Engeler Grüne Solothurn
Anna Engeler ist Fraktionspräsidentin der Grünen im Kantonsrat von Solothurn. - zVg

Nau.ch: Schaffhausen ist aktuell der einzige Kanton mit einer Stimm- und Wahlpflicht. Bei Abstimmungen oder Wahlen weist man fast immer die höchste Stimmbeteiligung auf. Wäre für Solothurn eine ähnlich positive Entwicklung zu erwarten?

Engeler: Vermutlich gäbe es einen gewissen positiven Trend. Eine Stimm- und Wahlpflicht steht – meiner Ansicht nach – jedoch dem Demokratiegedanken entgegen, nach dem man nach seinem freien Willen die politische Richtung mitbestimmen darf.

Es ist ein Privileg, sich beteiligen zu dürfen – es ist aber auch das Recht jedes Einzelnen, auf dieses Privileg zu verzichten. Es ist Aufgabe des Staates und der Politik, hier positive Anreize zu setzen und Interesse zu wecken, ich bin überzeugt, dass man damit mehr erreicht als mit Repressalien.

«Studien zeigen, dass nur rund zehn bis 15 Prozent der Stimmberechtigten gar nie wählen oder abstimmen»

Nau.ch: Bei Menschen, die bisher nicht wählen oder abstimmen gingen, liegt die Vermutung nahe, dass sich diese kaum mit der Materie beschäftigen würden. Befürchten Sie, dass es dadurch zu willkürlichen Wahl- und Abstimmungsergebnissen kommt?

Engeler: Studien zeigen, dass nur rund zehn bis 15 Prozent der Stimmberechtigten gar nie wählen oder abstimmen. Ein grösserer Teil beteiligt sich jeweils selektiv je nach Themen, über die sie sich dann sehr wohl informieren. Ich denke nicht, dass die Ergebnisse willkürlicher wären. Was ich mir vorstellen kann, ist, dass vermehrt leere Stimm- und Wahlzettel eingehen würden, was nicht das Ziel sein kann.

Abstimmungen Selektiv Stimmpflicht
Laut Engeler beteilige sich ein grösserer Teil der Menschen selektiv an Abstimmungen. (Symbolbild) - keystone

Nau.ch: In welcher Höhe sollte eine allfällige Busse angesetzt sein und für welchen Zweck sollten die Einnahmen ihrer Meinung nach verwendet werden?

Engeler: Ich halte Bussen in diesem Bereich für nicht zweckdienlich. Falls der Kantonsrat trotzdem solche beschliessen sollte, muss meiner Meinung nach das Geld für die politische Bildung eingesetzt werden.

Sollte im Kanton Solothurn eine Stimm- und Wahlpflicht eingeführt werden?

Nau.ch: Welche alternativen Massnahmen schlagen Sie vor, um für eine höhere Stimmbeteiligung zu sorgen?

Engeler: Bereits heute wird in den Schulen ein politisches Grundwissen vermittelt. Ich würde hier vielleicht noch stärker auf eine themenbasierte Vermittlung setzen. Das Interesse, sich zu beteiligen, wird dann gefördert, wenn Themen behandelt werden, die die Personen direkt betreffen, oder ein starkes Interesse besteht. Über ein spezifisches Thema kann womöglich ein generelles Interesse an politischen Themen und Prozessen gefördert werden.

Zur Person: Anna Engeler (39) ist Fraktionspräsidentin der Grünen im Solothurner Kantonsrat. Sie arbeitet als Projektleiterin und wohnt in Starrkirch-Wil.

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Kommentare

User #3935 (nicht angemeldet)

Anstelle wieder den Leuten das Geld zum Sack rausnehmen, kann man ja die Stimmenden mit einem Fünfliber belohnen.

User #5113 (nicht angemeldet)

Mit dieser Pflicht würde es den linken Parteien an den Kragen gehen.

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