Nadja Günthör: Unia schreckt nur künftige Lernende auf
Nadja Günthör (SVP) ist Mitglied der Bildungskommission im Kanton Bern. Im Gastbeitrag zeigt sie sich kritisch gegenüber einer Unia-Umfrage unter Lernenden.
Das Wichtigste in Kürze
- Nadja Günthör (SVP Bern) äussert sich zu einer Unia-Umfrage unter Lernenden.
- Das Schweizer Berufssystem sei einmalig und Lehrbetriebe dürfen auch etwas fordern.
- Lernende müssen auch mal ihre Wohlfühloase verlassen, sagt Nadja Günthör.
Die Unia hat eine Umfrage bei 1100 Lernenden durchgeführt. Was kam heraus? Knapp die Hälfte der Teilnehmenden ist während der Arbeit häufig oder immer gestresst, fühlen sich nach der Arbeit erschöpft. Sie erleben Diskriminierung, haben zu lange Arbeitstage. Die Folge: 34,5% sind mit der Ausbildung unzufrieden.
Es steht also – laut der Umfrage – schlimm, um unser Berufssystem, das weltweit einmalig ist. In anderen Ländern besteht die Möglichkeit einer solchen Berufslehre nicht. Ist wirklich alles so schlecht, dass die Unia aufschrecken muss, vor allem auch künftige Lernende? Erreicht sie damit nicht vielmehr, dass die Lehrbetriebe noch mehr Mühe haben, Jugendliche zu rekrutieren?
Lehrbetriebe dürfen auch etwas fordern
Kann diese Umfrage überhaupt als repräsentativ betrachtet werden? Laut dem Bundesamt für Statistik absolvierten im Schuljahr 2022/2023 rund 212'900 Lernende die berufliche Grundausbildung. 1100 Lernende nahmen an der Umfrage teil, also nur ein halbes Prozent aller Lernenden in der Schweiz.
Natürlich geht es nicht, dass Jugendliche im Lehrbetrieb sexuell belästigt oder diskriminiert werden. Aber meines Erachtens dürfen die Lehrbetriebe auch etwas fordern. Dazu gehört zuallererst, dass eben die Arbeitszeit rund 40 Stunden beträgt, dass der tägliche «Stundenplan» halt etwas anders aussieht als während der obligatorischen Schulzeit.
Man wird auch einmal etwas unter Druck gesetzt, es herrscht nicht immer nur Wohlfühloase. Da fallen halt manchmal auch etwas gröbere, mahnende Worte. Aber das ist doch ein Teil des Lebens, Teil des Alltags.
Jugendliche müssen sich auch selbst hinterfragen
Das Problem liegt nicht im System der Berufslehre, es beginnt vorher, im Elternhaus und in der Schule. Schon in der Grundschule, wo jene, denen es nicht gerade drum ist, sich in eine Ecke zurückziehen können, um sich wieder zu finden. Wir müssen uns fragen, ob wir da, mit dem Lehrplan 21 und all den weiteren «weichen» Massnahmen nicht den falschen Weg eingeschlagen haben, zu früh zu wenig fordern.
Und nicht zuletzt sollten die Gesellschaft, die Eltern – und auch die Jugendlichen selbst – einmal das Freizeitverhalten hinterfragen. Weniger Konsum sozialer und anderer elektronischer Medien, weniger in den Ausgang. Offenbar sind die Lehrlingslöhne doch nicht zu tief, wenn man sieht, was sich Jugendliche heute leisten können.
Darum: es braucht keine neuen Gesetze und mehr Kontrollen. Es braucht eine Rückkehr zu Grundwerten, die Jahrzehnte dafür gesorgt haben, dass die Schweiz, die Wirtschaft, im Vergleich auch zu umliegenden Ländern erfolgreich sein konnte.
Zur Autorin: Nadja Günthör (*1965) lebt in Erlach und ist SVP-Grossrätin. Sie ist Mitglied der Bildungskommission im Kanton Bern (BiK).