Stellvertretungs-Lösung stürzt im Baselbieter Landrat wohl ab
Bürgerliche wollen – einmal mehr – nichts von Reformen bei institutionellen Fragen wissen. Mütter, aber auch Kranke sollen sich nicht vertreten lassen können.
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Das Wichtigste in Kürze
- Sollen Baselbieter Landrätinnen und Landräte bei Bedarf vertreten werden können?
- Darüber debattierte am Donnerstag das Parlament.
- So wie es aussieht, dürfte bei der Abstimmung in zwei Wochen ein negatives Urteil fallen.
Wie schwer sich die bürgerlichen Parteien, allen voran SVP und FDP, bei Reformen der demokratischen Institutionen tun, hat man kürzlich bei der Revision des Wahlrechts gesehen. Das Baselbieter Stimmvolk hat den Doppelproporz aber am 9. Februar wuchtig mit einer Zweidrittelmehrheit gutgeheissen.
Beim neusten Reformwerk ist es kaum anders. Es geht um die Frage, ob Landrätinnen und Landräte im Falle von Mutterschaft, Krankheit oder Unfall die Möglichkeit erhalten sollen, sich bei Ratsdebatten und Abstimmungen vertreten zu lassen.
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Die Bürgerlichen führen in der Landratsdebatte vom Donnerstag die gleichen Argumente ins Feld: unverhältnismässiger Aufwand, Bürokratie, Kosten der Volksabstimmung. Der grosse Unterschied zur Wahlrechtsreform könnte allerdings sein, dass das Volk gar nicht erst dazu kommen wird, darüber abzustimmen.
Die Wahrscheinlichkeit ist nämlich gross, dass die Vorlage in der Schlussabstimmung in zwei Wochen versenkt wird. Denn anders als bei der Wahlrechtsreform ist diesmal auch die Mitte dagegen.
Fast fünf Jahre
Die Stellvertreter-Vorlage ist ein Beispiel dafür, dass längst nicht alles, was lange währt, auch gut wird. «Es handelt sich hier um einen Evergreen», sagt denn auch der Präsident der Justiz- und Sicherheitskommission (JSK), Dominique Erhart von der SVP, zu Beginn der Debatte.
Tatsächlich geht das Anliegen auf eine Motion der Grünliberalen Regula Steinemann vom 20. Juni 2020 zurück. In diesem von 36 Landrätinnen und Landräten mitunterzeichneten und mit 48 zu 34 Stimmen überwiesenen Vorstoss wurde die Regierung aufgefordert, eine Stellvertreter-Lösung zu erarbeiten für Abwesenheiten im Landrat, die mindestens drei und maximal sechs Monate dauern.
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Knapp fünf Jahre und drei Kommissionsberichte später sollte der Landrat am Donnerstag endlich zur Tat schreiten. Wobei die Verzögerung teilweise damit zu erklären ist, dass inzwischen eine Bundeslösung in Kraft gesetzt wurde.
Diese ermöglicht es Müttern, an Ratssitzungen teilzunehmen, ohne dass sie dabei den Erwerbsersatz einbüssen. Auch hat der Grosse Rat von Basel-Stadt die digitale Teilnahme eingeführt.
Kombinierte Lösung
Die JSK entschied sich schliesslich mit fünf zu vier Stimmen bei drei Enthaltungen für eine Art kombinierte Lösung. Es sollte eine kantonale Stellvertretung für Mütter im Mutterschaftsurlaub sowie für alle übrigen Parlamentarierinnen und Parlamentarier bei Krankheit und Unfall ermöglicht werden.
Ergänzend soll Müttern aber auch ermöglicht werden, an den Sitzungen teilzunehmen. Sie sollten also frei zwischen Stellvertretung und Teilnahme wählen können. Für den zweiten Fall würde eine zusätzliche «kantonale Erwerbsersatzordnung» beschlossen, weil die eidgenössische Erwerbsersatzordnung bei einer Stellvertreter-Lösung entfällt.
Während sich SP, Grüne und Grünliberale für diese «sehr gute Kompromisslösung» (Simone Abt, SP) einsetzen, lassen die Bürgerlichen von SVP und FDP kein gutes Haar daran. «Die Bundeslösung reicht vollkommen. Wir brauchen keine kantonale Stellvertretung. Eine solche ist ineffizient, zu aufwändig und unnötig», sagt der Freisinnige Marc Schinzel.
Demgegenüber wendet Sozialdemokratin Ronja Jansen ein, die Bundeslösung betreffe nur die Mütter. Die Stellvertretung gehe weiter und umfasse auch Krankheit und Unfall. Zudem gibt Andrea Heger (EVP) zu bedenken, dass die Bundeslösung zu Drucksituationen für Mütter führen könne und diesen nicht wirklich die freie Wahl lasse, ob sie am Ratsbetrieb teilnehmen wollten oder nicht.
GLP von Mitte «geschockt»
Etwas überraschend spricht sich auch die Mitte gegen die Stellvertretung aus und bringt die digitale Teilnahme – die aber nicht Gegenstand der Vorlage ist – ins Spiel: «Die Baselstädter Lösung wäre zeitgemäss. Wir würden eine digitale Lösung unterstützen, lehnen die Stellvertretung aber ab, weil sie einen riesigen Aufwand verursacht», sagt Pascal Ryf namens der Mitte.
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Die Grünliberalen zeigen sich darob «geschockt» (Manuel Ballmer). Tatsächlich unterschrieben damals immerhin vier Abgeordnete der damaligen CVP die Motion Steinemann mit.
Die Mitte-Stimmen dürften bei der Schlussabstimmung in zwei Wochen entscheidend sein. Sollte das Nein-Lager dann nicht zu viele Abwesende verzeichnen, erleidet die Stellvertreter-Vorlage mit grösster Wahrscheinlichkeit nach fast fünf Jahren Schiffbruch.
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Hinweis: Dieser Artikel wurde zuerst im Basler Newsportal «OnlineReports» publiziert.