Söderholms WM-Debüt als DEB-Coach: «Nicht allzu gross machen»
Vor seiner ersten Weltmeisterschaft als Eishockey-Bundestrainer sieht Toni Söderholm noch Handlungsbedarf. Kritik an der Auswahl seiner Torhüter weist er aber zurück. NHL-Star-Stürmer Leon Draisaitl hält er bereits für einen den besten Spieler der Welt.
Das Wichtigste in Kürze
- Toni Söderholm steht vor seinem WM-Debüt als Eishockey-Bundestrainer.
Im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur sagt der 41 Jahre alte Finne, was bis zum ersten Spiel gegen Grossbritannien besser werden muss.
Dabei kritisiert der Finne auch seine Stürmer: «Man muss auch sagen, dass die Fehler, die in der Defensive passieren, nicht immer von den Verteidigern gemacht wurden.»
Frage: Es ist für Sie das WM-Debüt als Bundestrainer. Welchen Stellenwert hat das Turnier für Sie?
Toni Söderholm: Man sollte es nicht allzu gross machen. Es bringt mir nicht so viel, wenn ich Wert darauf lege, ob es meine erste oder meine zehnte WM ist. Klar ist es ein spezielles Gefühl.
Spüren Sie noch mehr Druck, weil die letzte WM aus deutscher Sicht enttäuschend war?
Söderholm: Es gibt zwei Möglichkeiten, wenn du zur WM fährst: Entweder war die letzte WM gut oder schlecht. Letztes Jahr war die WM hart, weil sie nach Olympia war und viele Spieler schon viele Kilometer hinter sich hatten. Heute hoffen wir, dass die Jungs frischer sind.
Wie haben Sie die Vorbereitungswochen erlebt?
Söderholm: Gut. Die waren richtig gut.
Was genau war gut?
Söderholm: Die jungen Spieler haben es teilweise sehr gut gemacht. Einige sind noch nicht ganz auf WM-Level. Aber hoffentlich haben sie genug Erfahrungen mitgenommen, dass sie in 12 Monaten oder 24 Monaten bereit sind. Wie fleissig die Jungs waren, und wie gut sie neue Sachen umgestellt haben auf dem Eis - damit bin ich ziemlich zufrieden.
Was fehlt noch zur Idealvorstellung?
Söderholm: Also für mich nicht viel. Ich bin glücklich mit den Spielern, die hier sind. Wenn wir das ideale Spiel suchen, müssen wir noch konsequenter und detaillierter sein. Das fehlt ein bisschen. Wie wir in der Offensive spielen, wie wir bei jedem Wechsel in der Defensive arbeiten. Man kann da nicht gut genug sein.
Thomas Greiss hat angeschlagen abgesagt, Philipp Grubauer ist jetzt erst in den NHL-Playoffs ausgeschieden. Sie haben bewusst auf die erfahrenen Danny aus den Birken und Dennis Endras verzichtet. Gehen Sie bei den Torhütern nicht etwas viel Risiko?
Söderholm: Ich verstehe nicht, warum man das als riskante Situation bezeichnet, wenn wir zwei der besten Torhüter in Deutschland dabei haben. Das verstehe ich nicht.
Sie haben bewusst auf Routine verzichtet. Endras ist wertvollster Spieler der Playoffs, aus den Birken war MVP der Vorrunde ausgezeichnet worden.
Söderholm: Ich war selbst MVP in den Playoffs und habe in dem Jahr nicht die WM gespielt. Wenn man über einen Torhüter redet, schaut man, was für Gegentore er kriegt, was für Chancen er halten muss, was er für Chancen bekommt. Dann bekommst du ein komplettes Bild darüber, was der Torwart kann, und was er nicht kann. Ist der Torwart 100-prozentig frisch und 100-prozentig verletzungsfrei? Wir müssen auch klar in die Zukunft schauen. Mathias Niederberger und Niklas Treutle waren beide letztes Jahr bei der WM. Ich bin 100-prozentig sicher, dass sie für den nächsten Schritt bereit sind.
Mal ehrlich: Sie haben aber schon drauf spekuliert, dass mindestens noch ein NHL-Keeper kommt, oder?
Söderholm: Ja, klar.
Grubauer ist nun ausgeschieden. Wird er noch kommen?
Söderholm: Sportdirektor Stefan Schaidnagel nimmt Kontakt zu ihm auf, dann schauen wir, wie es ihm geht. Klar ist: Er würde eine Mannschaft noch besser machen.
Kritik gab es bisher an der Defensivarbeit. Hinkt die Defensive der besser besetzten Offensive noch hinterher?
Söderholm: Man muss auch sagen, dass die Fehler, die in der Defensive passieren, nicht immer von den Verteidigern gemacht wurden. Fünf Spieler müssen in der Defensive zusammenarbeiten. Die Fehler, die wir gemacht haben, hängen mit der Gesamtstruktur zusammen. Wir reden jetzt davon, dass wir gegen die absolut Besten der Welt spielen, da kannst du nicht viel Freiraum lassen.
In diesem Jahr sind besonders viele NHL-Topstars dabei. Kann man sagen, dass es die beste WM der letzten Jahre ist?
Söderholm: Die Qualität der Spiele kennen wir noch nicht. Aber wenn man sich die Qualität und die individuelle Klasse von den Spielern anschaut, muss man schon sagen, dass es ziemlich gut besetzt ist bei fast allen Mannschaften. Ich erwarte, dass die Spiele von Anfang an sehr eng werden. Da passieren immer Überraschungen am Anfang. Hohes Tempo wird gespielt, davon bin ich 100-prozentig überzeugt.
Leon Draisaitl hat eine überragende NHL-Saison hinter sich. Kann er hier auf dieser Bühne nochmals glänzen?
Söderholm: Die Qualitäten dafür hat er auf alle Fälle. Er braucht alle Mitspieler und die Mitspieler brauchen Leon. Aber lass uns das nicht zu einem allzu grossen Thema machen. Denn wenn Leon alleine auf dem Eis spielt, wird er sicher nicht in jedem Spiel drei Tore schiessen.
Er selbst sagt, dass er gerne der Anführer sein will. Haben Sie das Gefühl, dass er sich zu sehr unter Druck setzt?
Söderholm: Er kennt seine Qualitäten ziemlich gut. Er weiss, wo er auf dem Eis gut ist. Ich glaube, dass er noch besser sein könnte, was das Spiel insgesamt angeht und er sich hier noch weiterentwickeln kann. Aber wenn man die Qualitäten von ihm sieht - technisch, läuferisch -, ist er richtig gut. Fast einer der Besten, die ich gesehen habe.
Wie sehen Sie seine Rolle im Mannschaftsgefüge?
Söderholm: Sie wird grösser jedes Jahr. Er wird älter und älter. Er ist sowieso der nächste Führungsspieler in der Nationalmannschaft.
Sie haben zu Beginn gegen Grossbritannien und Dänemark zwei Spiele an einem Wochenende, die Sie beide möglichst gewinnen müssen, wenn sie ins Viertelfinale kommen wollen. Wie knifflig ist der Start?
Söderholm: Was sind die optimalen ersten zwei Spiele? Gegen Russland und Schweden? Gegen Kanada und USA? Und dass man dann mit null Punkten rauskommt oder dann gegen Grossbritannien und Dänemark spielt? Wir müssen sowieso über diese Mannschaften gehen.
Nach Olympia-Silber gab es einen grossen Umbruch, der 2018 auch Sorgen bereitet hat. Jetzt sind vielversprechende Talente dabei. War der Umbruch jetzt doch nicht so problematisch wie zunächst gedacht?
Söderholm: Nein, eigentlich nicht, weil die Neuen gut geliefert haben. Ich habe das Gefühl, dass wir bereit sind für die WM, dass sie bereit sind fü tragende Rollen bei der WM. Von der Mischung her glaube ich, dass es eigentlich ziemlich gut passt.
Es sind zuletzt einige Spieler in die NHL gegangen. Glauben Sie, dass nach der WM noch welche nachkommen?
Söderholm: Ja, ich glaube schon, dass einige nachkommen.
Wäre es etwa für den erst 18 Jahre alten Moritz Seider besser, noch ein, zwei Jahre in Deutschland zu spielen?
Söderholm: Er ist ein grosses Talent. Er nimmt das Neue ziemlich schnell an. Ich hätte ihn gern noch ein Jahr in Deutschland. Da denke ich dann aber an mich selber.
ZUR PERSON: Toni Söderholm wurde im Dezember überraschend zum Nachfolger von Marco Sturm als Eishockey-Bundestrainer berufen. Der 41 Jahre alte Finne sollte in der Red-Bull-Eishockey-Organisation eigentlich als Nachfolger von Erfolgscoach Don Jackson in München aufgebaut werden. Söderholm aber arbeitete beim Münchner Kooperationspartner SC Riessersee in der dritten Liga und DEL 2 so erfolgreich, dass der Deutsche Eishockey-Bund ihn abwarb.