EM 2024: Frankreich und England dank Anti-Fussball im EM-Halbfinal
An der EM 2024 regiert der Anti-Fussball. Das Modell ist erfolgreich, also wird es Mode machen – zum Leidwesen der Fussballfans. Ein Kommentar.
Das Wichtigste in Kürze
- England und Frankreich überzeugen an der EM 2024 in Deutschland spielerisch nicht.
- Trotzdem stehen beide im Halbfinal – trotz Kritik auch von den eigenen Fans.
- Die EM wird ein Wegweiser für die Zukunft des Fussballs. Ein Kommentar.
Es ist eine Statistik, die man als Fussballfan weder glauben kann noch will: Frankreich steht an der EM 2024 im Halbfinal, ohne einen einzigen Treffer aus dem Spiel heraus erzielt zu haben. Gerade einmal drei Treffer haben Les Bleus bisher verbucht: zwei Eigentore und einen Elfmeter-Treffer von Kylian Mbappé.
Keine andere Statistik, kein anderer Wert, nichts könnte anschaulicher verdeutlichen, wofür Frankreich gerade steht: Anti-Fussball. Insgesamt kommt die Equipe von Didier Deschamps an der EM 2024 bisher auf 21 (!) Torschüsse – in fünf Spielen!
Ganz ähnlich mogelt sich auch der Schweiz-Bezwinger England durch dieses Turnier: Immerhin sind die fünf Treffer der Three Lions bisher ein besserer Wert als jener von Frankreich. Spielerisch glänzt aber auch England nicht – und wird von den Fans vor allem für die fehlende Risiko-Bereitschaft kritisiert.
Nicht schön gespielt? Hauptsache gewonnen!
Der Erfolg dieses Anti-Fussballs, den Gareth Southgate und Didier Deschamps gerade zelebrieren, hat Folgen. Selbst Spanien, die europäische Hochburg des Jogo Bonito, passte sich im Turnierverlauf an: Gegen Deutschland war Schönspielen schon kein Thema mehr, stattdessen waren Physis und Effizienz angesagt.
Sicherlich lässt sich argumentieren, dass das alles keine neuen Tendenzen sind. Und letztlich gibt der Erfolg diesen Teams ja recht – so ähnlich entstand einst schliesslich auch der italienische Catenaccio. Gewinnen um jeden Preis – was kümmert einen schöner Fussball?
Trainern und Spielern kann es herzlich egal sein, wie gespielt wird, solange das Resultat stimmt. Und spätestens in einer Knock-out-Phase ist ein 1:0 gleich viel wert wie ein 5:2. Hauptsache, man steht am Ende in der nächsten Runde.
Läutet die EM 2024 die Anti-Fussball-Epoche ein?
Aber grosse internationale Turniere sind immer auch Richtungsweiser, ein Blick in die nähere Fussballzukunft. Spaniens Tikitaka betrat an der EM 2008 die ganz grosse Fussballbühne und prägte fast ein Jahrzehnt die Taktik-Schule.
Diese Ära neigt sich gerade dem Ende entgegen – oder ist vielleicht sogar schon vorbei. Jeder Fussball hat sein Ablaufdatum – ob Catenaccio, Voetbal Totaal oder eben Tikitaka. Bleibt zu hoffen, dass der aktuelle Anti-Fussball schnell wieder ausser Mode gerät ...