EM 2024: Warum in Österreich (noch) keiner vom EM-Titel redet
Österreich überrascht an der EM 2024 und wird vielerorts sogar als Titelkandidat gehandelt. Aus österreichischer Sicht ist das, pardon, Schmarrn. Ein Kommentar.
Das Wichtigste in Kürze
- Österreich feiert an der EM 2024 sensationell den Gruppensieg in der «Todesgruppe».
- Die ÖFB-Elf unter Ralf Rangnick schlägt nach Polen auch die Niederlande.
- Jetzt soll man sogar Titelkandidat sein – ernsthaft? Ein Kommentar.
Ich gebe es unumwunden zu – als österreichischer Sport-Fan hatte man in den letzten Jahren wenig zu lachen. Im Ski-Sport hat uns die Schweiz im letzten Winter gezeigt, wo der Barthel den Most holt. Gesamtweltcup an Marco Odermatt und Lara Gut-Behrami, und von der Nationenwertung reden wir lieber gar nicht erst.
Dass jetzt ausgerechnet der Fussball zum rot-weiss-roten Aushängeschild wird, ist fast schon ironisch. Schliesslich hat der österreichische Stadiongänger oft neidvoll auf die Schweizer Kicker geblickt. WM-Dauergäste oder gar EM-Viertelfinals waren Fremdwörter.
Österreich an der EM 2024 plötzlich Mitfavorit?
Und jetzt sollen wir an der EM 2024 plötzlich Gruppensieger in der Todesgruppe mit Frankreich, Holland und Polen sein? Da musste mich gestern schon mehr als ein Bekannter zwicken, bevor ich das tatsächlich glauben konnte.
Aber dabei fällt mir auch der grosse, ja eigentlich himmelweite Unterschied zwischen Schweizer Fussballfans und ihren österreichischen Pendants auf. Vielleicht ist es der naturgegebene österreichische Pessimismus. Aber bei aller Europhorie denkt niemand auch nur halbwegs ernsthaft an den EM-Titel.
In der Schweiz hat man die Exploits von Aussenseitern wie Griechenland oder Dänemark immer ein wenig vor Augen. Der Schweizer Steigerungslauf an den letzten Austragungen würde an der EM 2024 ja mindestens den Halbfinal nahelegen. Hinter vorgehaltener Hand wird hie und da sogar vom Titel geflüstert.
Jetzt stolpern wäre typisch österreichisch
Da sind wir Österreicher, ewig grantig, ewig nörglerisch, einfach zu sehr gebrannte Kinder. Holland und Polen geschlagen und Gruppensieger? Dann stolpern wir eben im Achtelfinal, am besten noch über einen Aussenseiter wie Georgien. Es wäre typisch österreichisch.
Nein, vom EM-Titel redet zwischen Bodensee und Neusiedler See nur der allergrösste Optimist. Vor einem Final-Einzug gebietet das die Grantler-Seele. Aber wenn es tatsächlich so kommen sollte, dann, liebe Schweizer: Dann hört ihr bis in alle Ewigkeit vom Wunder, das Kaiser Ralf (Rangnick) der Erste vollbracht hat.