FC Aarau: Beim Ballbuben-Zoff um FCA-Trainer scheiden sich Geister!
Soll Trainer Stephan Keller vom FC Aarau für seine Ballbuben-Schelte bestraft werden? Bei Nau.ch sind die Fussball-Experten geteilter Meinung.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Liga eröffnet gegen FCA-Trainer Stephan Keller ein Verfahren.
- Der 41-Jährige hat nach dem Sieg gegen GC einen Balljungen beschimpft.
- Auch gestern liefert der Aarau-Trainer wieder Zündstoff.
Beim Spiel des FC Aarau gegen GC platzt FCA-Trainer Stephan Keller (41) der Kragen. Unmittelbar nach dem 2:1-Sieg rennt er wie von der Tarantel gestochen der Seitenlinie entlang, schreit lautstark einen Balljungen an!
Keller erklärt den Ausraster: «Wir schulen unsere Ballkinder, damit sie nicht zu schnell vorwärts machen, wenn der Gegner den Ball kriegt.» Nach dem Spiel entschuldigt sich Keller beim Buben, zudem erhält dieser ein Aarau-Trikot.
Gestern eröffnet die Liga ein Verfahren gegen Keller. Übertrieben?
Die Meinungen gehen weit ausseinander. Nau.ch-Chefredaktor Micha Zbinden und Fussball-Chefreporter Mischi Wettstein über den Ballbuben-Zoff in Aarau.
Nau.ch: Nach dem Sieg gegen GC geht Aarau-Trainer Stephan Keller auf einen Balljungen los. Die Liga eröffnet jetzt ein Verfahren gegen Keller. Zurecht?
Micha Zbinden: Das ist absolut richtig, ein Trainer hat Vorbild-Funktion. Die TV-Bilder sind erschreckend. Da gewinnt Keller gegen Leader GC und schreit als erste Reaktion einen Ballbuben an. Nur, weil er nicht auf Zeit spielt. Was ging ihm da wohl durch den Kopf? Und wenn Keller dann gestern auf SRF die Luzerner für angebliches Zeitspiel anschwärzt, verstehe ich die Welt nicht mehr.
Mischi Wettstein: Das Verfahren ist ein Blödsinn, wer kommt auf so eine bescheuerte Idee? Natürlich war Keller wohl für einen Moment ausser sich. Aber wenn man bis zum Schlusspfiff unter Strom steht, ist es doch verständlich, dass die Emotionen raus müssen. Dass es einen unschuldigen Ballbuben trifft, ist unglücklich. Denn der Knirps hat sicher nicht die Absicht, GC zu bevorzugen. Er wollte einfach seinen Job als Balljunge besonders gut ausüben. Aber entscheidend ist doch, dass Stephan den Aussetzer sofort bemerkt – und sich umgehend beim Balljungen entschuldigt hat. Der Bub wurde von allen Seiten getröstet und aufgemuntert. Es ist ein Erlebnis, das er wohl nie mehr vergisst und in Zukunft sogar drüber lachen kann. Das Verfahren gegen Trainer Keller ist aber völlig überzogen und masslos übertrieben.
Nau.ch: Keller erklärt im Nau-Interview, dass ihre Ballkinder geschult werden, dem Gegner den Ball nicht allzu schnell zurück zu geben. Fair?
Micha Zbinden: Als ehemaliger YB-Junior war ich früher auch Ballbub. Schon vor knapp 30 Jahren hat man die Kids geschult. «Wenn YB führt, gebt ihr den Ball langsamer zurück», hiess es. In der Pause wurden wir dann gelobt oder getadelt. Das ist total daneben und hat mit Fairness nichts zu tun. YB lag aber meistens zurück.
Mischi Wettstein: Das ist wohl normal und üblich so. Der eigenen Mannschaft soll optimal geholfen werden. Den Gegner will man zwar fair behandeln, aber nicht übertrieben unterstützen.
Micha Zbinden: Als dreifacher Familienvater sollte sich Keller eigentlich mit Kindern auskennen. Er sollte vor Schülern einen Vortrag halten. Thema: «Fairness und Aggressionssteuerung».
Mischi Wettstein: Das sehe ich total anders. Freispruch über alle Instanzen hinweg! Kommt es zu einem Wiederholungsfall, können wir über diese Frage nochmals diskutieren.
Nau.ch: In der Super League sind wegen Corona gar keine Ballkinder erlaubt, in Aarau schon. Zudem gab es gestern im Cup keinen VAR, heute in Genf aber schon. Hat der Schweizer Fussball ein Regel-Problem?
Mischi Wettstein: Es sollten für alle immer die gleichen Voraussetzungen gelten – und das ist leider selten so. Der VAR ist manchmal hilfreich und wird gut angewendet, wie zum Beispiel am Sonntag beim FCZ. Wenn man aber glasklare Fouls, wie das von YB-Camara an Servette-Kyei nicht sieht, dann braucht es den VAR nicht.
Micha Zbinden: In Bern macht bekanntlich Materialwart Bruno Bielesch den Ballboy-Job alleine. Er dreht Runden, läuft während einem YB-Spiel gegen 8,5 Kilometer, also mehr als Mbappé in einem Match. Jetzt ist Bielesch zwar fit wie ein Turnschuh. Es wäre aber sicher schön und sinnvoll, wenn die Liga ihn bald etwas entlasten würde. Zum VAR: Das alte Brügglifeld aufzurüsten, ist sicher teuer – alle müssen sparen.