Fussball-Talk: Gruppensieg für Nati möglich, Offensive muss erwachen
Der Countdown läuft: Am Samstag startet die Schweizer Nati in die EM 2024. Was ist alles möglich für das Yakin-Team? Willkommen beim Fussball-Talk.
Das Wichtigste in Kürze
- Gegen Österreich holt die Nati kurz vor EM-Start ein 1:1.
- Nach wie vor happert es beim Team von Murat Yakin in der Offensive.
- Am Samstag um 15 Uhr startet die Nati gegen Ungarn in die EM 2024.
- Sportchef Christoph Böhlen und Fussball-Chefreporter Mischi Wettstein im Gespräch.
Nau.ch: Die Nati spielt bei der EM-Hauptprobe 1:1 gegen Österreich. Mischi, du warst in St. Gallen – wie fällt dein Fazit aus?
Mischi Wettstein: Ich bin wie immer positiv gestimmt: Österreich hat zuvor sechsmal in Serie gewonnen, die Nati hat diese Serie gestoppt. Aber natürlich ist mir nicht entgangen, dass unsere Hauptbaustelle die Offensive bleibt!
Christoph Böhlen: Da möchte ich gleich etwas ergänzen: Es hacken alle auf den Stürmern herum. Aber wenn wir so verteidigen wie Nico Elvedi gegen die Österreicher, dann haben wir andere Sorgen. Aber natürlich haben wir in der Offensive das Rezept noch nicht gefunden.
Mischi Wettstein: Eben, bis auf das Geschenk von Goalie Heinz Lindner haben wir keine zwingende Torchance. Apropos Lindner: Ich habe mich sehr gefreut, dass er sich nach seiner Erkrankung zurückgekämpft hat. Und ich möchte ihm ein Kränzchen winden: In meinen 30 Jahren im Geschäft gehört er zu den sympathischsten Zeitgenossen.
Nau.ch: Was macht euch Hoffnung auf eine erfolgreiche EM-Kampagne der Nati?
Mischi Wettstein: Der Gesamteindruck stimmt mich zuversichtlich, die Stimmung ebenfalls. Die Nati kann mit einem guten Gefühl an die EM reisen, schliesslich haben wir in den letzten 14 Spielen nur einmal verloren. Das stimmt mich optimistisch. Denn unsere Nati muss man erst einmal besiegen! Und wo ein Wille ist, gibt es auch einen Weg, dass wir Tore schiessen.
Christoph Böhlen: Entscheidend wird für mich sein, wie die Spieler ihre gute Form aus den Klubs in die Nati bringen. Wir haben mit Sommer einen italienischen, mit Akanji einen englischen Meister. Dazu kommt Captain Granit Xhaka, der Leverkusen zum Double geführt hat. Das gibt Rückenwind – und zwar für das ganze Team. Und dazu kommt: Xherdan Shaqiri wird wie immer pünktlich zur Endrunde aufblühen.
Nau.ch: Zum Turnierstart geht es am Samstag gegen Ungarn los. Wie seht ihr die Ausgangslage?
Mischi Wettstein: Es ist allen klar, dass die Nati gleich mit einem Final startet. Mit einem Sieg über die Ungarn kann Murat Yakins Team die EM gleich richtig geil lancieren. Aber Achtung: Ungarn schiesst im letzten Test gegen Israel drei Tore, das wird kein Selbstläufer. Aber ein Startsieg würde das Tor zum Achtelfinal schon richtig weit aufstossen.
Christoph Böhlen: Wenn die Nati Liverpool-Star Dominik Szoboszlai in den Griff kriegt, sind die Ungarn absolut schlagbar. Ansonsten gibt es keinen Spieler, der mir Angst machen würde. Ein Unentschieden liegt sicher drin, wenn wir plötzlich auch vorne den Knopf aufmachen, kann es ein Dreier werden.
Mischi Wettstein: In dieser Gruppe ist so ziemlich alles möglich. Warum sollten wir nicht auch Gruppensieger werden? Ich habe noch bei Finnland–Schottland reingeschaut. Ganz ehrlich: Vor den Schotten müssen wir keine Angst haben … Und wenn Goalie Manuel Neuer für das DFB-Team weiter so patzt, ist auch ein Sieg gegen einen Turnierfavoriten wie Deutschland möglich.
Christoph Böhlen: Der Gruppensieg würde mich stark überraschen. Ich denke nicht, dass sich Deutschland das nehmen lässt. Aber den Achtelfinal traue ich der Nati schon zu.
Nau.ch: Mischi, für dich geht es auch bald los: Du reist nach Deutschland – mit welchem Gefühl?
Mischi Wettstein: Es wird eine super EM! Ich hoffe, der Wettergott spielt auch mit. Wenn das der Fall ist, steht uns ein sensationelles Turnier bevor.
Nau.ch: Auf wen tippt ihr vor dem Turnier eigentlich?
Mischi Wettstein: Ich setze auf die Franzosen.
Christoph Böhlen: Wow, das kommt ja wie aus der Pistole geschossen … Ich würde mein Geld eher auf Deutschland wetten.
Mischi Wettstein: Bei den Deutschen könnte es an der Heim-EM mit der Euphorie im Land weit gehen. Aber dieser Schuss kann auch nach hinten losgehen. Überhaupt möchte ich noch etwas anmerken.
Christoph Böhlen: Ja?
Mischi Wettstein: All diese Testspiele und Camps und Trainings sind nur halb so wichtig. Es zählt einzig und allein ab Freitag. Da müssen alle Teams ihre Karten auf den Tisch legen.
Nau.ch: Was ist euch sonst noch aufgefallen?
Mischi Wettstein: In Schaffhausen ist Ciriaco Sforza der Wunschkandidat für den Trainerposten. Das finde ich eine coole Idee, vom Gefühl her könnte das passen. Ciri hat schon mehrfach bewiesen, dass er mit jungen Spielern arbeiten kann. Zum Beispiel bei GC oder beim FC Wil.
Christoph Böhlen: Dafür ist bereits fix, wer beim FCSG auf Peter Zeidler folgt: Der Deutsche Enrico Maassen soll das schwere Erbe übernehmen. Eine spannende Wahl, zuletzt lief es ihm bei Augsburg aber nicht optimal.
Mischi Wettstein: In St. Gallen ist man offenbar völlig überzeugt, sonst hätte man Maassen keinen Dreijahresvertrag gegeben. Oder man hat einfach zu viel Geld in der Klubkasse …