YB: Wie läuft ein YB-Transfer ab, Chefscout Stéphane Chapuisat?
YB-Legende Stéphane Chapuisat spricht Im Interview mit Nau.ch über seine Arbeit als Chefscout und verrät, welche Transfers für YB besonders wichtig waren.
Das Wichtigste in Kürze
- Der ehemalige Weltklasse-Stürmer Stéphane Chapuisat arbeitet bei YB als Chefscout.
- Im Interview mit Nau.ch spricht er über seine Arbeit beim Schweizer Meister.
- Dabei gibt er spannende Einblicke in die Geheimnisse der Talentsuche.
YB hat sich mit dem 0:0 bei Maccabi Haifa eine gute Ausgangslage im Playoff zur Champions League erarbeitet. Mit einem Heimsieg am Dienstag stünde der Schweizer Meister zum dritten Mal in der Gruppenphase der Königsklasse.
Mitverantwortlich für die erfolgreiche Arbeit bei YB in den letzten Jahren ist Chefscout Stéphane Chapuisat (54). Der frühere Weltklasse-Stürmer und 103-fache Nationalspieler spricht im Interview mit Nau über seinen Job.
Nau.ch: Sie sind Chefscout bei YB, wie muss man sich ihre tägliche Arbeit vorstellen?
Stéphane Chapuisat: «Eine tägliche Routinearbeit gibt es eigentlich nicht – der Job ist immer anders, auch je nach Jahreszeit. Während der Transferperiode haben wir andere Aufgaben als sonst.»
Nau.ch: Was machen Sie während der Transferzeit?
Stéphane Chapuisat: «In dieser Zeit ist der Austausch mit Sportchef Steve von Bergen und Christoph Spycher, Delegierter Sport des Verwaltungsrates, noch intensiver als sonst. Wir agieren als Team und wägen ab, was passieren könnte.»
Nau.ch: Wie gehen sie dabei vor?
Stéphane Chapuisat: «Wir versuchen zu antizipieren und auf alle Eventualitäten vorbereitet zu sein. Wir behalten die eigenen Spieler genau im Auge und begleiten sie eng. Und wir beobachten den Markt.»
Nau.ch: Haben sie einen speziellen Fokus?
Stéphane Chapuisat: «Wir definieren gemeinsam, was wir brauchen. Unser Fokus liegt auf dem eigenen Nachwuchs und auf dem Schweizer Markt, den checken wir nach unserem definierten Profil ab. Danach folgt der Blick ins Ausland. In kleineren Ligen oder den zweiten Ligen der Top-Nationen gibt es viele gute Spieler. Wir versuchen, mehrere mögliche und finanzierbare Alternativen pro Position zu finden und dann schauen wir uns diese Spieler genau an. In der Schweiz besuchen wir die Spiele live, im Ausland beginnen wir mit Videostudium, da gibt es viele neue Tools.»
Nau.ch: Welche zum Beispiel?
Stéphane Chapuisat: «Es gibt inzwischen Online-Plattformen, bei denen man die gewünschten Mitschnitte aus über 50 Ligen innerhalb von 48 Stunden hat. Alle Szenen, bei denen der gewünschte Spieler auf dem Bildschirm zu sehen war, werden automatisch zusammengeschnitten, egal, ob positive oder negative. Das ist eine andere Qualität, als die herkömmlichen ‹Best-of-Videos›.»
Nau.ch: Was ist neu?
Stéphane Chapuisat: «Auch in unserem Bereich werden wir immer mehr von der künstlichen Intelligenz unterstützt. Die Daten sind extrem vielfältig, man kann fussballerische Parameter wie zum Beispiel die Passgenauigkeit abrufen oder auch genaue Profile zu den physischen Daten eines Spielers erstellen.»
Nau.ch: Worauf achten sie zuerst?
Stéphane Chapuisat: «Wenn ich einen Spieler beobachte, verlasse ich mich zuerst auf die Bilder. Die genauen Daten beachte ich vorerst nicht, weil ich das Gefühl habe, dass diese meine Wahrnehmung beeinflussen könnten. Darum: ich schaue immer erst die Videos oder ein Live-Spiel, bevor ich die Daten analysiere.»
Nau.ch: Wie viele Spiele sehen sie pro Saison noch live?
Stéphane Chapuisat: «Das ist schwierig zu sagen. Immer weniger, je besser die Online-Plattformen wurden. Wir können uns viel mehr Spieler anschauen, das wäre mit Reisen und dem daraus folgenden zeitlichen und finanziellen Aufwand gar nicht mehr möglich. Zumindest im Ausland.»
Nau.ch: Und wann schauen sie sich die Spieler genauer an?
Stéphane Chapuisat: «In der Schweiz kennt man natürlich die Spieler schon ziemlich gut, aber wir haben zusätzliche Scouts. Neu arbeitet zum Beispiel Raphaël Nuzzolo für uns. Im Ausland haben wir verschiedene Kontakte und wenn es konkret ist, reise ich selber an ein Spiel und führe mit den Spielern auch persönliche Gespräche.»
Nau.ch: Wie läuft so ein konkretes Scouting ab, damit es dann zum Transfer kommt? Zum Beispiel in diesem Sommer mit dem Polen Lukasz Lakomy?
Stéphane Chapuisat: «Wir suchten einen Nachfolger für den möglichen Abgang von Fabian Rieder. Dass Rieder ein interessanter Spieler ist, weiss die ganze Fussball-Szene. Wir haben unser Profil definiert und im Ausland wurden wir fündig. Ich habe den Spieler live gesehen und gute Gespräche geführt. So kam der Transfer zustande. Uns ist stets sehr wichtig, dass der Spieler auch charakterlich passt.»
Nau.ch: Wie attraktiv ist YB für ausländische Spieler? Die polnische Liga ist ja auch nicht schlecht…
Stéphane Chapuisat: «Wir sind ein interessanter Club, spielen regelmässig europäisch und sind in unserer Liga an der Spitze. Und einige Spieler von YB haben schon den Sprung in grössere Ligen geschafft, das spricht sich herum.»
Nau.ch: Welches war ihr spektakulärster Transfer?
Stéphane Chapuisat: «Schwierig zu sagen, wir hatten ein paar Mal eine gute Nase. Und konnten auch ein paar Spieler international lancieren – da möchte ich keinen hervorheben. Vom Namen her war sicher Guillaume Hoarau der spektakulärste. Ganz wichtig für uns war aber sicher Denis Zakaria. Er ist ein perfektes Beispiel für unsere Philosophie. Wir konnten ihm den nächsten Schritt und eine gute Plattform bieten, jetzt macht er eine grosse Karriere quasi als YB-Botschafter. Das Gleiche gilt für Djibril Sow.»
Nau.ch: Sehen Sie in der Zukunft Potenzial mit diesem Modell für YB?
Stéphane Chapuisat: «Ja, auf jeden Fall. Aber es ist ein laufender Prozess, man kann sich nie ausruhen und muss das System stets anpassen. Unsere Liga kann ein Spieler, wenn er es gut macht, als Sprungbrett nutzen. Das macht uns interessant, denn wir werden beobachtet.»
Nau.ch: Letzte Frage: Haben sie aktuell schon wieder ein paar neue Talente auf dem Radar?
Stéphane Chapuisat: «Ja, es gibt immer wieder gute Spieler, die wir am Beobachten sind, es braucht aber dann auch einen entsprechenden Platz im Kader. Wir holen keine Spieler, deren Position wir schon doppelt oder dreifach besetzt haben.»
Stéphane «Chappi» Chapuisat begann seine Karriere bei Malley und wechselte bald zu Lausanne. Es folgte der Wechsel zu Uerdingen und schliesslich 1991 zu Borussia Dortmund, wo er Deutscher Meister, Champions-League-Sieger, Torschützenkönig und Fanliebling wurde. 1999 kehrte er in die Schweiz zurück, zuerst zu den Grasshoppers und 2002 zu den Berner Young Boys. Seit 2008 ist er im Staff des BSC Young Boys als Chefscout tätig.
Mit 106 Treffern in der Bundesliga gehört er immer noch zu den erfolgreichsten ausländischen Torschützen in Deutschland. Nur Lewandowski (198), Claudio Pizarro (195), Giovane Elber (133) und Vedad Ibisevic (119) haben öfters ins Schwarze getroffen. Ailton mit ebenfalls 106 Toren komplettieren den 100er-Club der ausländischen Knipser in der Bundesliga.