Der Entscheid zu Caster Semenya ärgert Intergeschlechtliche
Intergeschlechtliche wie Caster Semenya werden mit dem Urteil des Sportgerichtshofes diskriminiert, sagt die Inter*-Aktivistin. Es sei zudem sexistisch.
Das Wichtigste in Kürze
- Sportlerin Caster Semenya muss Medikamente nehmen, um weiter als Frau starten zu dürfen.
- Für Intergeschlechtlichen-Aktivistin Audrey Aegerter ist das sexistisch.
Die Welt besteht nicht aus Schwarz und Weiss. Die Trennung zwischen Mann und Frau ist biologisch nicht so eindeutig wie man meinen könnte. Intergeschlechtliche Personen etwa stehen dazwischen, wobei es die unterschiedlichsten Ausprägungen gibt.
Prominentes Beispiel: Caster Semenya darf nicht mehr als Frau bei Wettkämpfen antreten. Die Südafrikanische 800-Meter-Olympiasiegerin fühlt sich als Frau. Ihr Testosteronwert liegt aber über jenem von anderen Frauen. Semenya ist intergeschlechtlich, sie hat weibliche Geschlechtsteile, jedoch Hoden statt Eierstöcke. 2017 heiratete sie ihre Partnerin Violet Raseboya.
Weil der erhöhte Testosteronwert Semenya Vorteile im Wettkampf verleiht, schliesst sie der Sportgerichtshof von Frauen-Anlässen aus. Ausser, sie senkt ihren Testosteronspiegel mittels Medikamenten. Audrey Aegerter, Aktivistin für Intergeschlechtliche und Präsidentin von Inter Action Suisse, kritisiert das Urteil.
Nau.ch: Frau Aegerter, finden Sie es sinnvoll, dass der Internationale Leichtathletikverband IAAF die Kategorie «Frau» durch einen Maximalwert an Testosteron definiert?
Audrey Aegerter: Nein, es ist diskriminierend und das gibt das Gericht in der Medienmitteilung auch zu. Diese Diskriminierung ist aber nicht nötig.
Variationen in den Hormonwerte finden auch bei Männern statt, einen Maximalwert ist bei Männern aber nicht gegeben. Vielleicht hat Usain Bolt auch mehr Testosteron als der typische Mann, wer weiss? Das ist aber für niemanden ein Problem.
Nau.ch: Warum gibt es denn nur bei Frauen einen solchen Maximalwert?
Audrey Aegerter: Man sieht, dass diese Regelung nur Frauen trifft und somit sexistisch ist. Man geht davon aus, dass Semenya einfach zu gut ist für eine Frau und ihr ganzer Erfolg nur aufgrund ihrer Hormone zustande kommt.
Sie trainiert aber genauso hart wie jede andere – vielleicht sogar mehr, da sie viele Privilegien nicht hatte wegen ihrer Hautfarbe, Klasse und der Politik in Südafrika während der Apartheid.
Nau.ch: Wie ist der Vorteil von Semenya einzuordnen?
Audrey Aegerter: Sie hat Variationen in ihrer Geschlechtsentwicklung, aber die meisten Athlet*innen haben auch irgendeine biologische Variation, die sie bevorzugen könnte. Warum sollen Hormone dann ein grösserer Vorteil sein?
Wir könnten auch sagen, dass Basketballspieler Medikamente nehmen sollten, um nicht grösser als 1 Meter 85 zu sein, um keinen Vorteil gegen die typische Grösse eines Mannes zu haben. Das wäre aber ziemlich dämlich.
Nau.ch: Wie würden Sie Caster Semenya definieren?
Audrey Aegerter: Caster Semenya ist eindeutig eine Frau. Bei ihrer Geburt hat man sie als weiblich eingetragen, sie wurde als Mädchen erzogen und hat eine weibliche Geschlechtsidentität.
Sie ist halt auch homosexuell. Aber lesbische Frauen sind auch Frauen, denn das sagt nichts über das eigene Geschlecht aus.
Semenya hat Variationen in ihrer Geschlechtsentwicklung und ihr Körper ist Testosteron-/Androgen-resistent. Er reagiert nicht auf Testosteron, wie es normalerweise erwartet wird.
Nau.ch: Semenya müsste nun Medikamente einnehmen, um ihren Testosteronspiegel zu senken. Welche Konsequenzen hat das auf ihren Körper hat?
Audrey Aegerter: Das senkt ihren natürlichen Hormonwert, was eine Menopause verursachen kann. Das könnte dann Probleme in der Knochendensität verursachen (Osteoporosis). Dazu kommen andere Nebenwirkungen, wie hoher Blutdruck, Herzprobleme, gesteigertes Krebsrisiko.
Nau.ch: Welche psychischen Folgen kann es haben?
Audrey Aegerter: Die Mediatisierung und das Eindringen in ihr Privat- und Intimleben haben bestimmt psychische Probleme verursacht. Weiter kann sie das Gefühl haben, dass ihr Körper nicht mehr ihr gehört, dass sie nicht genug ist, vielleicht auch Depressionen entwickeln. Aber das kommt immer auf den Menschen an. Ich hoffe, dass sie gute Hilfe hat.
Nau.ch: Wäre im Sport neben Mann und Frau eine weitere Kategorie für Intergeschlechtliche sinnvoll?
Audrey Aegerter: Eine dritte Kategorie würde die Athletinnen nur noch mehr diskriminieren und marginalisieren. Ausserdem sind inter* Variationen sehr unterschiedlich. Und man hätte da wieder keine «Norm» für die Teilnehmerinnen dieser Kategorien. Inter-Frauen sind Frauen, auch Caster Semenya ist eine Frau. Punkt.