Formel E: Sind die Jaguar-Teams jetzt ernsthafte Titelkandidaten?

Mathias Kainz
Mathias Kainz

Deutschland,

Nicht nur Klima-Aktivisten sorgen beim Double-Header der Formel E in Berlin für Schlagzeilen. Die Jaguar-angetriebenen Teams unterstreichen ihre Formstärke.

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Der Double-Header der Formel E in Berlin sorgt für Schlagzeilen. - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Mitch Evans und Nick Cassidy gewinnen die beiden Formel-E-Rennen in Berlin.
  • Wird bei der nächsten Auto-Generation das Problem der beschädigten Frontflügel behoben?
  • Am 6. Mai wird die Formel E in Monaco fortgesetzt.

Beim Double-Header der Formel E in Berlin sorgt vor allem die Stör-Aktion einiger Klimaaktivisten für Schlagzeilen. Daneben fällt auf, dass viele Autos Probleme mit den Frontflügel haben.

Motorsport-Insiderin Carla Welti und Nau.ch-Experte Mathias Kainz besprechen die aktuellen Themen und ziehen pünktlich zur Saison-Halbzeit ein erstes Fazit.

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Nau.ch: Das grosse Thema in Berlin war die Track Invasion kurz vor dem Start. Eure Meinung zu der Szene?

Carla Welti: Mir fehlen zu der Situation ein wenig die klaren Worte. Und politisch möchte ich mich gewissen Diskussionen weitestgehend enthalten.

Aber die Message der Klimaaktivisten wurde mit dieser Aktion so extrem verfehlt wie noch nie. Es gibt keine andere Motorsport-Serie auf diesem Planeten, die so viel in die Weiterentwicklung eines «grünen» Sports investiert wie die Formel E. Sich dann vor die Rennautos auf der Startaufstellung zu schmeissen, ist nicht nur idiotisch. Es beweist auch, dass sich diese spezifischen Demonstranten kein bisschen mit der Materie der Formel E auseinandergesetzt haben.

Und was für mich erschwerend dazu kommt: Diese Aktion hat die Fahrer in ihrer Konzentration unterbrochen, so kurz vor dem Start. Das kann massgeblich zu Fehlern und somit zu Unfällen im Start und im Verlauf des Rennens führen. Mit so einer Aktion riskierten diese Demonstranten die Sicherheit der Fahrer.

Ich könnte mich in das Thema reinsteigern, denn es gäbe genügend zu diskutieren. Aber ich will diesen Aktionen auch kein Rampenlicht bieten. Das haben sie nicht verdient.

Mathias Kainz: Ich stimme völlig zu – solche Szenen haben gerade in der Formel E absolut nichts verloren. Die Kritik am Motorsport allgemein kann ich nachvollziehen – mir ist klar, dass die Klima-Bilanz diskutabel ist. Aber ausgerechnet die Elektro-Weltmeisterschaft als Ziel zu wählen, unterstreicht: Beschäftigt hat man sich mit dem «Opfer» der Aktion nicht wirklich.

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Aktivisten behindern den Start der Formel E in Berlin. - keystone

Nau.ch: Wir haben zuletzt immer wieder gesehen, dass beschädigte Frontflügel zum Problem werden. Wäre das ein Bereich, den man bei der nächsten Auto-Generation verbessern müsste?

Carla Welti: Da ich den detaillierten Grund der Frontflügel-Brüche nicht kenne, ist diese Frage schwierig zu beantworten. Definitiv ist es auffällig, wie viele Frontflügel in die Brüche gehen. Sollte dies aufgrund einer Produktschwäche tatsächlich der Fall sein, bedarf dies auf jeden Fall einer Anpassung und in Zukunft zu verhindern, dass der Rennverlauf für die Fahrer dadurch unterbrochen wird. Ich sehe jedoch auch immer wieder Frontflügel, die beschädigt werden durch Auffahrunfälle im Rennen. Das hat dann meiner Meinung nach nichts mit dem Frontflügel an sich zu tun, sondern mit dem Können und der Reaktionsfähigkeit der Fahrer.

Mathias Kainz: Was mir besonders auffällt, ist die Anfälligkeit der Front-Partie im Vergleich zum Vorgänger-Auto. Beim Gen2-Renner war der Frontflügel auch dank der Rad-Abdeckungen etwas robuster. Da konnte man sich auch die eine oder andere Berührung erlauben, was auf den engen Strassenkursen schon mal vorkommt. Wenn wir tatsächlich ein Gen3.5-Auto bekommen, was zuletzt ja im Raum stand, dann vielleicht mit einer etwas stabileren Nase. Das hilft auch dem Racing, wenn man vielleicht mal einen Schubs geben kann ...

Nau.ch: Die Jaguar-angetriebenen Teams setzen ihre Formstärke auch in Berlin fort. Sind Fahrer wie Mitch Evans oder Nick Cassidy jetzt ernsthafte Titelkandidaten?

Mathias Kainz: Ja, absolut. Porsche hat einen hervorragenden Start hingelegt, seither aber viele Punkte liegen gelassen. Die Jaguar-Teams – sowohl das Werksteam als auch Envision – zeigen sich bärenstark. Jetzt ist aber die Frage, ob einer der Fahrer – da würde ich auf Cassidy setzen – konstant Top-Resultate holen kann. Siehst du das ähnlich?

Carla Welti: Auf jeden Fall. Jaguar zeigt eine konstante Stärke und genau das ist nötig, um eine Meisterschaft gewinnen zu können. Wenn sowohl die Jaguar-Teams wie auch die Fahrer sich auch in der zweiten Saisonhälfte so präsentieren, steht einer Meisterschaft kaum noch etwas im Weg.

Nau.ch: Berlin war der zweite Double-Header des Jahres – da stellt sich die Frage: Wer war euer Fahrer des Wochenendes?

Carla Welti: Ich finde, an dieser Stelle hat Maserati mit Max Günther einen Schulterklopfer verdient. Nach 66 Jahren steht Maserati endlich wieder auf dem Podium – ein historischer Moment für Maserati. Und auch wenn Günther sich selbst in der Vergangenheit immer wieder im Weg stand und durch eigene Fehler Punkte vergeben hat, scheint er am vergangenen Samstag einiges richtig gemacht zu haben.

Mathias Kainz: Da sind wir mal einer Meinung, was den Fahrer des Tages (oder Wochenendes) angeht! Vor allem nach dem schwachen Saisonstart war bei Maserati ein Erfolgserlebnis bitter nötig. Und genau das hat Günther geliefert – und sich damit auch endlich mal belohnt. Denn die Pace war schon vorher da, aber jetzt sieht man es auch in den Ergebnissen.

Nau.ch: Wir haben die Saison-Halbzeit erreicht. Zeit für ein Zwischenfazit: Wer hat euch bisher überrascht, wer hat euch enttäuscht?

Mathias Kainz: Meine positive Überraschung bisher ist Nick Cassidy – endlich läuft es für ihn mal einigermassen. Das Auto ist schnell, das Team arbeitet sauber, und er selbst ruft seine Leistung ab. Für mich wäre es keine Überraschung, wenn er am Saisonende die Nase vorne hätte. Das wäre auch absolut verdient.

Die grosse Enttäuschung ist für mich Maserati, und leider insbesondere Edoardo Mortara. Da waren einfach zu viele Fahrfehler, Patzer und Pannen mit dabei, von beiden Seiten. Als ehemaliger Rennsieger und Vize-Meister der Formel E hätte man da mehr erwarten müssen. Hoffentlich ändert sich das in der zweiten Saisonhälfte noch.

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Für Mathias Kainz ist Nick Cassidy die positive Überraschung in der bisherigen Saison der Formel E. - keystone

Carla Welti: Die Tatsache, dass Jean-Éric Vergne Gesamtdritter ist, empfinde ich als ein sehr starkes Zwischenresultat. DS-Penskes Formel-E-Zusammenarbeit verlief nicht auf Anhieb so erfolgreich, wie sie sich das erhofft hatten. Umso grandioser ist der aktuelle Stand der Dinge. Und JEV sieht, nach eigener Aussage, das Potential, mit um die Meisterschaft zu kämpfen.

Erstaunlich rückläufig waren meiner Meinung nach die letzten Resultate von Porsche. Der wahnsinnig starke Start von Wehrlein hat ihm zu seinem riesigen Vorsprung in der Gesamtwertung verholfen. Aber nun wird Porsche genauso wie alle anderen auch von Jaguar überrollt. Der Punkteunterschied zwischen Pascal Wehrlein und Nick Cassidy liegt bloss noch bei 4 Punkten.

Nau.ch: Werfen wir auch einen kurzen Blick auf die Schweizer Piloten: Wie beurteilt ihr deren Saison bisher?

Mathias Kainz: Ich habe es schon angedeutet – vor allem Edo Mortara erlebt einfach eine Seuchensaison. Vor allem, wenn das Auto erwiesenermassen podestfähig ist, war das bisher einfach zu wenig. Sébastien Buemi klebt ein wenig das Pech an den Füssen, denn die Pace ist durchaus vorhanden. Und Nico Müller tut mir einfach nur Leid – darum, dass er den Abt-Cupra fahren muss, beneidet ihn wohl keiner.

Carla Welti: Leider fällt mir da nur das Wort «scherzhaft» ein. Auch wenn zwischendurch gute Leistung zu sehen ist, vor allem von Buemi, reicht es trotzdem nie für die grossen Punkte. Bei Nico Müller ist die fehlende Performance von seinem ABT Cupra sicher einer der Hauptgründe dafür. Doch der Maserati von Edoardo Mortara und vor allem der Envision-Jaguar von Sébastien Buemi bieten eigentlich die Grundlage für gute Resultate. Ich hoffe, dass wir in der zweiten Saisonhälfte noch mehr Podeste mit unseren Schweizern feiern dürfen.

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