«Djokovic ist jetzt der Beste – aber längst nicht der Grösste»
An den French Open in Paris holt Novak Djokovic (36) seinen 23. Major-Titel – das ist Rekord. Ist die GOAT-Debatte im Tennis-Sport damit endgültig beendet?
Das Wichtigste in Kürze
- An den French Open hievt sich Novak Djokovic in neue Sphären.
- Ist er dank seinem 23. Grand-Slam-Titel der grösste Tennisspieler aller Zeiten?
- Auf der Sportredaktion von Nau.ch gehen die Meinungen auseinander.
Mit seinem 23. Grand-Slam-Titel sichert sich Novak Djokovic an den French Open den alleinigen Rekord. Der Serbe stellt damit Rafael Nadal (22 Titel) und Roger Federer (20) in den Schatten.
Seit Jahren wird darüber diskutiert, welcher der drei Spieler der GOAT, der Grösste aller Zeiten, ist. Jeder von ihnen hat den Tennis-Sport über die letzten zwei Jahrzehnte auf seine Weise geprägt. Hat sich Djokovic diese Bezeichnung mit seinem Paris-Triumph endgültig gesichert?
Auf der Sportredaktion von Nau.ch gehen die Meinungen auseinander.
Matthias Neuhaus, Sportredaktor
«Die Zahlen sprechen klar für Novak Djokovic. Er hält nicht nur den Rekord für die meisten Grand-Slam-Siege. Ab heute ist er wieder die Weltnummer eins, es ist seine 388. Woche an der Spitze der Rangliste.
Für mich ist es jedoch eine ganz besondere Eigenschaft, die den Serben von Federer und Nadal unterscheidet. Seine Fähigkeit, in der «Crunch Time», der entscheidenden Phase eines Spiels, das Level zu erhöhen, ist unerreicht.
Als Zuschauer kriegt man das Gefühl, dass Novak dann am besten spielt, wenn er mit dem Rücken zur Wand steht. Diese mentale Stärke, Widerständen zu trotzen und mit dem maximalen Druck umzugehen, hebt ihn von Federer und Nadal ab.
Aus diesem Grund steht Djokovic mittlerweile bei 23 Grand-Slam-Siegen. Bleibt er verletzungsfrei, werden weitere folgen. Ob Sand, Rasen oder Hartplatz – der «Djoker» kann alles.
Darum: Aus sportlicher Sicht ist Novak Djokovic der beste Tennisspieler aller Zeiten. Das müssen auch wir Schweizer einsehen.»
Mathias Kainz, Sportredaktor
«Ja, Novak Djokovic hat die Rekorde auf seiner Seite. Was die reinen Zahlen betrifft, ist der Serbe unübertroffen – aber einen Sportler kann man nicht nur an seinen Zahlen messen. Das Vermächtnis der besten Athleten liegt immer auch abseits der sportlichen Leistungen.
Und das ist die grösste Schwäche des Weltranglisten-Ersten. So sehr er sich als Sportler abgehoben hat, so sehr ist er als Mensch abgehoben. Seine scharlatanischen Anwandlungen, seine zweifelhaften Ansichten – das schadet seinem Erbe.
Was Djokovic auf dem Platz leistet, ist bewundernswert – daran besteht keinerlei Zweifel. Dass er mit seinen 36 Jahren immer noch der beste Tennisspieler der Welt ist, steht ebenfalls ausser Frage.
Aber der Grösste? Um der Grösste zu sein, braucht es mehr als nur Rekorde. Dafür braucht es auch menschliche Grösse, und die lässt Djokovic zu oft vermissen. Das wird auch lange nach seinem Rücktritt der Makel auf seiner Karriere bleiben.»