Verschärft die Corona-Krise die Ungleichheit in der Schweiz?
Dank Aktien ist die Familie Blocher während der Corona-Krise ein paar Milliarden reicher geworden. Gleichzeitig ist die Arbeitslosigkeit explodiert.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Aktienmärkte entwickeln sich trotz Krise wieder positiv.
- Besonders Gutbetuchte halten viele Aktien.
- Von Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit sind oft Menschen aus Tieflohnbranchen betroffen.
Die Corona-Krise trifft die Wirtschaft knallhart. Klar ist, dass das Schweizer BIP dieses Jahr schrumpfen wird. Unklar hingegen, wie stark: Ökonomen rechnen mit einem Rückgang zwischen 4 und 8 Prozent.
Aktuell liegt die Arbeitslosenquote bei 3,2 Prozent. Im Vorjahr lag der Wert noch bei 2,1 Prozent. Anders ausgedrückt: Im Juli waren 51'292 Menschen mehr bei den RAV als arbeitslos gemeldet als im Vorjahr.
Doch gibt es nicht nur Verlierer. Wie die «Sonntagszeitung» berichtete, ist die Familie Blocher seit Krisenbeginn 3,8 Milliarden Franken reicher geworden. Hauptgrund ist der Wertzuwachs der EMS-Chemie.
Börsianer glauben an EMS-Chemie
Warum? Zwar musste auch das Unternehmen von Magdalena Martullo-Blocher im ersten Halbjahr einen Umsatzeinbruch hinnehmen. Allerdings konnte die SVP-Nationalrätin Aufträge für Corona-Teströhrchen, Beatmungsmasken oder Desinfektionsfläschchen an Land ziehen. Für manchen Investor wohl Grund genug, um auf das Blocher-Unternehmen zu setzen.
Sowieso geben sich die Börsianer diese Tage optimistisch. Nachdem der Aktienindex SMI zu Jahresbeginn eingebrochen ist, geht es seit April wieder aufwärts. Gegenüber dem Wert zum Jahresbeginn liegt der Index weniger als 3 Prozent im Minus.
Der deutsche DAX und der US-Leitindex Dow Jones sind nur noch knapp über ein Prozent im Minus. Und es geht weiter aufwärts.
«Es ist erstaunlich, wie schnell sich die Aktienmärkte nach dem Einbruch im Frühjahr erholt haben», kommentiert Philip Valta, Finanz-Professor an der Universität Bern. Viele Investoren hätten sich hauptsächlich auf die positiven Nachrichten konzentriert und die negativen eher ausgeblendet.
Experte versteht Optimismus nicht
«Der Optimismus ist schwer nachzuvollziehen, ist die wirtschaftliche Entwicklung in diesem Jahr sehr negativ – und somit entkoppelt von der Entwicklung der Aktienmärkte.» Ob die Finanzmärkte am Ende des Jahres im Plus oder Minus sein werden, lässt Valta offen. Es gebe für beide Szenarien gute Argumente.
Geht es für die Finanzmärkte aufwärts, profitieren davon vor allem Gutbetuchte. Gemäss einer Studie des Vergleichsportals Moneyland.ch haben nur 19 Prozent der Personen mit einem Vermögen zwischen 20'000 und 50'000 Franken in Aktien investiert – Pensionskassengelder ausgeschlossen. Hingegen haben 80 Prozent der Millionäre ihr Geld in Wertpapiere angelegt.
Befeuert also die Corona-Krise die Ungleichheit in der Schweiz? «Es ist meines Erachtens noch zu früh dies zu beurteilen», sagt Valta. Er glaubt aber, dass die Krise die wirtschaftliche Ungleichheit «eher verschärfen» könnte.
Tieftöner besonders betroffen
Auch Daniel Lampart, Chefökonom des Schweizerischen Gewerkschaftsbunds, hält es für eine Prognose zu früh. Doch: «Viele Banken haben bisher gute Geschäfte gemacht.»
Und es gibt bereits Indizien, dass die Corona-Krise die Schere zwischen Arm und Reich vergrössern könnte. So sind von der krisenbedingten Arbeitslosigkeit oder Kurzarbeit besonders oft Personen mit tieferen Einkommen betroffen. «Etwa in der Gastronomie oder im Kulturbereich», sagt Lampart. Auch in der gebeutelten Luftfahrtbranche arbeiten viele Menschen mit geringem Einkommen.
Der Gewerkschaftsbund hat früh gefordert, dass Firmen bei Kurzarbeit den Lohn von 80 auf 100 Prozent aufstocken sollen. Auch um die Kaufkraft zu erhalten. «Bei einem Grossteil der Firmen wurde allerdings nicht aufgerundet.»