Das Coronavirus verändert die Sexarbeit massgeblich
Aufgrund des Coronavirus haben auch Sexarbeitende dem Bund ein Schutzkonzept vorgelegt. Die Einschränkungen sind gross – die Bedenken der Kritiker ebenfalls.
Das Wichtigste in Kürze
- Der Bundesrat gestattet ab 6. Juni wieder Erotik-Dienstleistungen.
- Fachstellen für Sexarbeit haben vorgängig beim Bund ein Schutzkonzept eingereicht.
- Die Massnahmen sind einschneidend, vieles kann nicht wie gewohnt gemacht werden.
Die Diskussion, ob Sexarbeitende trotz des Coronavirus wieder ihrer Arbeit nachgehen dürfen, hält schon seit geraumer Zeit an. Nun hat der Bundesrat diese Woche entschieden: Ab dem 6. Juni sind Erotik-Dienstleistungen wieder gestattet. Kurz zuvor hat das Netzwerk Prokore, welches sich für die Interessen der Sexarbeitenden einsetzt, dem Bund ein Schutzkonzept vorgelegt.
In Zusammenarbeit mit weiteren Fachstellen wurde das Konzept ausgearbeitet. Dieses sieht unter anderem vor, dass Textilien nach jedem Kunden bei 60 Grad gewaschen werden. Auch sollen Sexarbeitende, sowie Kunden, «nach Möglichkeit» vor und nach jedem Treffen duschen.
Ausserdem sollen involvierte Personen einen Mindestabstand von einer Unterarmlänge vom Gesicht des Gegenübers einhalten. Daher sollen Praktiken, welche diese Massnahme nicht garantieren können, nicht mehr durchgeführt werden. Eine grosse Einschränkung für viele, die in der Branche tätig sind.
Coronavirus schränkt Sexarbeitende enorm ein
Ob die Massnahmen eingehalten werden könne man nicht kontrollieren, erklärt Lelia Hunziker, Geschäftsführerin der Fachstelle Frauenhandel und Frauenmigration (FIZ). «Die Frage stellt sich bei der Sexarbeit genauso wie in anderen Branchen. Sobald eine Dienstleistung hinter ‹verschlossenen Türen› stattfindet, braucht es Professionalität und Verantwortungsbewusstsein.»
Das Angeben von Personalien bleibt für den Kunden freiwillig, so Hunziker. «Der Kunde kann seine Kontaktdaten angeben. Hier haben wir bewusst auf den Begriff ‹müssen› verzichtet, damit die Verantwortung nicht ausschliesslich bei den Sexarbeitenden liegt.»
«Es funktioniert wie in anderen Bereichen auch: Wer eine Dienstleistung beziehen möchte, muss sich eben auch an die Regeln halten», stellt sie klar.
Prostituierte wehren sich gegen Superspreader-Ausdruck
In Deutschland entfachte jüngst die Debatte, Sexarbeit gänzlich zu verbieten. Die Befürwortet bezeichneten Prostituierte als «Superspreader» – sie würden massgeblich zur Verbreitung des Coronavirus beitragen. Diese Aussage ist gemäss Hunziker absolut nicht vertretbar.
«Sexarbeitende als ‹Superspreader› zu bezeichnen ist falsch. Ein ‹Superspreader› ist beispielsweise eine infizierte Person die in der Menge während Stunden tanzt und feiert. Sexarbeit hingegen findet zu zweit während rund 20 Minuten statt», erläutert sie ihren Standpunkt.
Weiter hätten auch viele Sexarbeitende grossen Respekt vor dem Coronavirus. Ausserdem achten sich Prostituierte schon seit geraumer Zeit auf gute Hygiene - vor und nach den Interaktionen. «Spätestens seit der HIV-Welle in den 80er-Jahren wird Safersex generell schon praktiziert.» Daher habe die Sexarbeit in Sachen Hygiene einen klaren Vorsprung zu anderen Branchen.
Nicht alle Unterstützungsangebote werden genutzt
Hunziker zeigt sich besorgt um Sexarbeitende, die aus Angst vor negativen Reaktionen keine Hilfe annehmen möchten. «Wäre die Sexarbeit nicht so stigmatisiert, könnte man offener mit der Situation umgehen.»
Einige der Unterstützungsangebote des Bundes würden greifen, beispielsweise der Erwerbsersatz für Selbstständige. «Auch hier gilt: Sexarbeitende benötigen genau so Unterstützung wie alle anderen Branchen auch.»