US-Schweizerin: «Wer will schon in Abtreibungswüste?»
Der Supreme Court hat das Recht auf Abtreibung gekippt. Die US-Schweizerin und Journalistin Lotta Suter zeigt sich im Nau.ch-Interview empört.
Das Wichtigste in Kürze
- Lotta Suter (70) wanderte 1997 in die USA aus und wohnt heute im Bundesstaat Vermont.
- Sie habe sich grün und blau über das Abtreibungsurteil geärgert.
- Junge Amerikanerinnen würden sich nun genauer überlegen, wo sie arbeiten oder studieren.
Vor gut einer Woche hat der Supreme Court das Recht auf Abtreibung aufgehoben. Damit ist es nun den einzelnen Bundesstaaten freigestellt, Abtreibungen zu erlauben, sie einzuschränken oder gänzlich zu verbieten. Das sorgte im ganzen Land für Proteste.
Auch bei Schweizerinnen, die seit Jahren in den USA leben, löst das Urteil Betroffenheit aus. Lotta Suter (70) wanderte 1997 nach Amerika aus. Sie lebt heute in Vermont und arbeitet als US-Korrespondentin für verschiedene Medien.
Nau.ch: Wie haben Sie persönlich auf das Abtreibungsurteil reagiert?
Lotta Suter: Nachdem das Urteil im Frühling durchgesickert ist, habe ich als Journalistin so viele Texte zum Thema Schwangerschaftsabbruch und Zwangsmutterschaft geschrieben, dass ich bei der offiziellen Verkündigung des Urteils schon ziemlich ausgelaugt war.
Nau.ch: Wie meinen Sie das genau?
Lotta Suter: Ich glaube, ich habe meine diesbezüglichen Gefühle schon auf dem grossen Frauenmarsch gleich nach Donald Trumps Amtseinsetzung im Januar 2017 ausgelebt. Spätestens damals wurde die Verschärfung des Abtreibungsgesetzes absehbar. Ich habe mich grün und blau geärgert, dass wir immer noch für das Recht auf den eigenen Bauch auf die Strasse gehen müssen.
Nau.ch: Wie haben Leute aus Europa und der Schweiz, die Sie kennen, auf das Urteil des Supreme Courts reagiert?
Lotta Suter: Die Bekannten aus Europa und der Schweiz sind entsetzt.
Nau.ch: Gilt gleiches auch für Ihr Umfeld?
Lotta Suter: Die Leute in meiner Vermonter Umgebung weniger. Erstens will ‹mein› Bundesstaat das Recht auf Abtreibung nun in der eigenen Verfassung verankern und es mit Gesetzen absichern. Und zweitens ist die Entwicklung nicht überraschend, wenn man hier lebt.
Allerdings wurden noch am gleichen Tag Demonstrationen gegen das Urteil organisiert. Und diejenigen Personen, die sich im Herbst zur Wahl stellen, haben das Thema auch schon in ihren Kalender aufgenommen.
Nau.ch: Kennen Sie Leute, die jetzt ans Auswandern denken?
Lotta Suter: Ich kenne persönlich niemand, der ins Ausland gehen will. Allerdings überlegen sich junge Frauen nun genauer, in welchen Bundesstaaten sie eine Arbeit annehmen oder das College besuchen wollen. Normalerweise sind die US-Amerikanerinnen und US-Amerikaner ziemlich mobil. Doch wer will schon freiwillig in eine Abtreibungswüste ziehen?
Nau.ch: Wie erleben Sie die Reaktionen und Proteste, zum Beispiel den Aufruf zum Sexstreik?
Lotta Suter: Von einem Sexstreik habe ich in meiner zwar fortschrittlichen, aber doch sehr ländlichen und gar nicht urbanen Umgebung noch nichts gehört. Proteste gab es bereits und ich denke, sie werden nicht so schnell abnehmen.