Israel-Krieg verschlimmert auch den Westjordan-Konflikt
Der Israel-Krieg gegen die Hamas im Gazastreifen wirkt sich auch auf den Konflikt im Westjordanland aus. Ein Experte spricht von einer «Eskalationsspirale».
Das Wichtigste in Kürze
- Seit Beginn des Gaza-Kriegs gab es bereits 90 Todesopfer im Westjordanland.
- Die Angriffe der Hamas sorgen im zweiten Krisengebiet für eine «Eskalationsspirale».
- Ein Experte fürchtet, dass es zu weiteren Attentaten kommen könnte.
Der Israel-Krieg im Gazastreifen heizt auch in anderen Brennpunkten den Konflikt zwischen Israel und Palästina weiter an. Im Westjordanland sind seit dem Hamas-Angriff am 7. Oktober über 90 Menschen getötet worden.
Die meisten von ihnen starben bei Auseinandersetzungen mit israelischen Streitkräften oder an gewaltsamen Protesten. Am Sonntagmorgen griff Israel aber zudem die Al-Ansar-Moschee im Flüchtlingslager Dschenin im Westjordanland aus der Luft an.
Dabei kamen nach Angaben des dortigen Gesundheitsministeriums zwei Menschen ums Leben. Sechs weitere wurden am selben Tag bei anderen Zwischenfällen getötet.
«Die Lage im Westjordanland eskalierte bereits vor dem Terroranschlag der Hamas», erklärt Nahost-Experte Andreas Böhm von der Universität St. Gallen. Dies sei «im Wesentlichen auf die rechtsextreme Regierung Netanjahus in Israel zurückzuführen».
«Eskalationsspirale» seit Beginn von Israel-Krieg
So kam es in diesem Jahr unter anderem zu Randale von israelischen Siedlern. Zudem habe Israel zusätzliche Kompetenzen in der Verwaltung besetzter Gebiete übernommen – man könne «de facto von einer Annexion sprechen».
«Auf palästinensischer Seite herrscht weitreichende Frustration über die entwürdigenden Lebensbedingungen in den besetzten Gebieten im Westjordanland», so Böhm.
Seit dem Hamas-Angriff im Israel-Krieg habe sich diese «Eskalationsspirale» aber weiter verschärft. So befürchtet auch der Experte: «Es ist durchaus möglich, dass es zu Attentaten kommt und dann zu Vergeltungsaktionen der israelischen Armee.» Ansonsten sei Israel aber nicht daran interessiert, im Westjordanland viel Unmut zu schüren, «um keine zweite Front zu eröffnen».
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Schliesslich sei die für den Terror im Gazastreifen verantwortliche Hamas im Westjordanland auch weniger präsent. «Das Gebiet wird von ihrem Erzfeind Fatah kontrolliert», so Böhm. Dia Fatah ist eine Fraktion der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO).
Attentate von «kleineren Zellen»
Das dürfte sich auch nicht ändern. «Hätte die Hamas Kapazitäten, hätte sie diese vermutlich bereits genutzt, um eine zweite Front zu eröffnen», erklärt der Experte.
«Attentate wurden zuletzt eher von kleineren Zellen – rund 20 bis 50 Mann – durchgeführt.» Diese seien flexibel, planen dezentral und spontan und können deswegen von den Sicherheitsdiensten kaum kontrolliert werden.
Insgesamt sind im Westjordanland gemäss Zahlen der Uno schon bis September 190 Zivilisten ums Leben gekommen. Im gesamten Vorjahr waren es 150, im Jahr 2021 noch rund 80.