Die alten Ägypter waren von Tiermumien besessen
Mumien von Vögeln, Krokodilen, Käfern und sogar Löwen sind in Ägypten ausgegraben worden. Manche von ihnen führten wohl ein Leben wie Könige.
Das Wichtigste in Kürze
- In Ägypten sind in Sakkara bei Ausgrabungen Dutzende Tier-Mumien aufgetaucht.
- Es sind Mumien von Vögeln, Käfern, Krokodilen und wohl auch Löwen.
- Sie stammen aus dem siebten Jahrhundert vor Christus.
- Tiermumien standen für Gottheiten.
Ganz viele Päckli in Katzenform: Wie ein weihnächtliches Geschenk mutet der Fund an, der diese Woche in Ägypten vorgestellten wurde. Dutzende Tiermumien wurden hier letztes Jahr bei Ausgrabungen entdeckt und nun teilweise untersucht. Spektakulär ist vor allem, dass auch Mumien von Löwenbabys darunter sind: «Der Fund ist sehr wichtig, die Löwenmumien sind aussergewöhnlich», schreibt Alain Charron, Experte für Tiermumien beim Antiken-Museum in Arles, auf Anfrage.
Die alten Ägypter waren von Tieren und deren Erhaltung nach dem Tod geradezu besessen. Käfer, Katzen, Krokodile, Ibisse, Hunde, Stiere und unzählige weiter: Sie alle standen für bestimmte Gottheiten. Ganze Tiernekropolen lassen sich besichtigen. Kilometerlang ziehen sich unterirdische Gänge mit Grabnischen dahin und unterirdische Galerien beherbergen hier ganze Dynastien von Tieren. Jedes Tier bekam auch einen Sarg – selbst Mäuse.
Rund 120 solcher Tiernekropolen existieren in Äypten. Mit Abstand die wichtigste aber ist Sakkara: «Dort könnten zwei bis drei Millionen Tiermumien liegen», schreibt Charron. Denn Saqqara war die Nekropole von Memphis – der einstigen Haupstatt des Alten Ägyptischen Reiches. Besonders an Saqqara ist, dass dort verschiedenste Tiermumien zu finden sind, während andere Nekropolen ein oder zwei Tieren, beziehungsweise einer Gottheit gewidmet sind.
Manche Tiere waren heilig
Manche der Tiere wurden in Tempeln gehalten, waren also heilig. Solche Tiere mussten besondere Merkmale erfüllen und nach ihnen wurde im ganzen Land gesucht. Die gilt auch für Löwen. Sie traten bei Festprozessionen als Kultfiguren auf und fungierten teilweise als Orakel. Ihre theologische Stellung war mit jener des Königs vergleichbar. Die Tempeltiere führten ein fürstliches Leben – und so wurden sie auch bestattet.
Neben den Tempeltieren gab es Aufzuchtstätten, wo Hunderte dieser Tiere gehalten und nach ihrem Tod aufwändig mumifiziert wurden. Dieser staatlich organisierte Tierkult hatte seine Blütezeit während der 26. Dynastie – genau aus dieser Zeit stammen auch die neusten Funde. Kleine Tiermumien wurden für Rituale gekauft und die Nachfrage danach war offenbar so gross, dass Fälschungen auftauchten. «Es gibt Mumien, die nur einzelne Knochen oder sogar Steine und Holz enthielten», sagt Susanne Bickel, Professorin für Ägyptologie an der Universität Basel.
Aber nicht nur staatlich betreute Tiere waren heilig. «Es konnte schwerwiegende Konsequenzen haben, wenn man zum Beispiel eine Katze auf der Strasse tötete, auch wenn dies aus Fahrlässigkeit passierte».
Doch weshalb eigentlich waren die alten Ägypter so besessen von Tieren und Mumien? «Die Tiere repräsentierten die Anwesenheit der Götter auf der Erde», sagt Bickel. «Und um die Seelen der Götter auf der Erde zu halten, mussten sie einen Körper haben. Mit der Mumifizierung wurde dieser Körper intakt gehalten, damit er weiterhin die Seele beherbergen konnte.» Für einen damaligen Ägypter waren die Mumien also lebendig.
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«Nau forscht»
Im Rahmen dieser Serie erscheint jeden Sonntag ein exklusiver Beitrag des Wissenschaftsmagazins «higgs».
Dieser Beitrag wurde verfasst von Katrin Schregenberger.