Bundesgericht lehnt Beschwerde gegen Zürcher Sozialhilfegesetz ab
Das Zürcher Sozialhilfegesetz soll angepasst werden. Eine Beschwerde dagegen wurde gestern Dienstag vom Bundesgericht abgelehnt.
Das Wichtigste in Kürze
- Eine Beschwerde gegen die Änderung des Zürcher Sozialhilfegesetzes wurde abgelehnt.
- Sozialhilfebezüger können Anordnungen der Sozialbehörde nicht mehr direkt anfechten.
- Für drei der fünf Richter am Bundesgericht drohen dadurch keine irreparablen Nachteile.
Das Bundesgericht hat eine Beschwerde gegen die Änderung des Sozialhilfegesetzes im Kanton Zürich abgewiesen. Damit können Sozialhilfebezüger und -bezügerinnen Anordnungen und Weisungen der Sozialbehörde nicht mehr direkt anfechten. Die Beschwerdeführer erwägen einen Weiterzug.
Das Bundesgericht kam gestern Dienstag in einer öffentlichen Beratung mit drei gegen zwei Stimmen zum Schluss: Den Betroffenen drohen keine irreparablen Nachteile, wenn sie die Anordnungen nicht direkt anfechten können. Das neue Gesetz sei mit der in der Verfassung festgeschriebenen Rechtsweggarantie vereinbar.
Zürcher Sozialhilfebezüger müssen mit der Einführung des Gesetzes deshalb bis zum Endentscheid warten, wenn sie den Rechtsweg beschreiten wollen. Konkret bedeutet dies, dass beispielsweise die Auflage, eine günstigere Wohnung zu suchen, noch nicht angefochten werden kann.
Erst wenn die Anweisung nicht befolgt worden ist und der Entscheid auf Sozialhilfe-Kürzung vorliegt, kann rechtlich gegen diesen vorgegangen werden.
Wirkung aufgeschoben
Die Mehrheit der Richter argumentierte: Bei den Weisungen oder Anordnungen handle es sich um Zwischenentscheide, die vor Bundesgericht grundsätzlich nicht angefochten werden könnten. Eine Ausnahme liegt bei Fällen vor, bei denen ein nicht wieder gutzumachender Nachteil droht.
Einen solchen habe es bisher beim Bundesgericht nie gegeben. Auch theoretisch sei ein solcher auch kaum vorstellbar, führte die Mehrheit aus. Auch das Gleichbehandlungsgebot sahen die entsprechenden Richter als nicht verletzt an.
Sie wiesen zudem darauf hin, dass sich für die Betroffenen bis zu einem rechtskräftigen Entscheid nichts ändere. Dies, weil die sogenannte aufschiebende Wirkung zum Tragen komme. Diese kann von der Sozialbehörde aufgehoben werden, was jedoch angefochten werden kann.
Grundrechte tangiert
Die beiden unterlegenen Richter argumentierten damit, dass die Weisungen von Sozialbehörden Grundrechte der Betroffenen tangieren könnten. Die Sozialhilfebezüger könnten sich aber nicht sogleich dagegen wehren, sondern sie müssten abwarten oder sich vielmehr einer Anordnung widersetzen.
Dies unterminiere die Rechtstreue betroffener Personen, was es zu verhindern gelte. Mit der neuen Bestimmung werde erst mit der Weigerung der Rechtsweg eröffnet, was eines Rechtsstaates unwürdig sei.
Gemäss Artikel 21 des Sozialhilfegesetzes des Kantons Zürich vom 14. Juni 1981 darf die wirtschaftliche Hilfe mit Auflagen und Weisungen verbunden werden. Am 21. Januar 2019 beschloss der Kantonsrat des Kantons Zürich eine Ergänzung dieser Bestimmung mit folgendem Wortlaut: «Auflagen und Weisungen sind nicht selbstständig anfechtbar.»
Enttäuschte und empörte Verlierer
Die Beschwerde hatten die Unabhängige Fachstelle für Sozialhilferecht (UFS), fünf weitere Organisationen und drei Sozialhilfebezügerinnen eingereicht. Den Organisationen sprach das Bundesgericht die Berechtigung zur Beschwerdeführung ab.
Auf die Beschwerde der drei Frauen trat das Gericht ein. Es auferlegte ihnen die Gerichtsgebühr von 4500 Franken.
In einer ersten Reaktion zeigten sich die Organisationen enttäuscht über das Urteil des Bundesgerichts. Der Urteilsspruch stelle einen massiven Grundrechtseingriff dar. Die Organisationen prüfen einen Weiterzug des Entscheides an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.