Gegen Twint & Co.: Junge legen ihren Lohn jetzt bar in Couverts

Einmal den Monatslohn holen und vorzählen: Bei der Gen Z ist Bargeld stark im Kommen. Aber wie sieht es mit der Vorsorge aus?

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TikTok / @ typischsandra.ch - Cash Stuffing

Das Wichtigste in Kürze

  • «Cash Stuffing» trendet auf Tiktok – mit Bargeld möchten Junge ihre Finanzen regeln.
  • Bargeld wird gezählt und in Couverts gelegt, im Gegensatz zu digitalen Zahlmethoden.
  • Das ist gut für die Strukturierung der Finanzen, für die Vorsorge aber nicht nachhaltig.

Der neueste Schrei auf Tiktok heisst «Cash Stuffing».

Dabei ist der Name Programm: Bargeld wird ausgezählt und für verschiedene Budgetposten in Couverts gepackt. So möchte sich die Gen Z Kontrolle über ihre Finanzen verschaffen.

Die Cash-Stuffers lassen sich ihren Lohn bar auszahlen und budgetieren ihn vor der Kamera. Dadurch verschaffen sie sich einen Überblick über ihre Finanzen. In einer Welt voller digitaler Zahlungsmittel ist der Überblick über die eigenen Ausgaben so für viele einfacher. Aber ist das denn längerfristig tragbar?

Tiktok-Trend mit Folgen

Finanzberaterin Bente Roth sieht den Trend sehr positiv. «Grundsätzlich ist es wahnsinnig gut, weil es Struktur in die Finanzen bringt.» Durch «Cash Stuffing» würden junge Menschen ihre finanziellen Mittel selber in die Hand nehmen.

Das sei eine Gegenbewegung zur Verschuldung, die bei der Gen Z aufkommt. Durch digitale Zahlungsmethoden wie Twint, Paypal oder Klarna würden viele unter einem Kontrollverlust leiden. «Viele junge Menschen haben auf Pump etwas gekauft und zahlen es danach monatelang ab.»

Wirtschaftssoziologin Dr. Katja Rost von der Universität Zürich sieht es ähnlich. Immer mehr junge Menschen seien verschuldet, «weil die Bedürfnisse in Wohlstandsgesellschaften zunehmen».

Gekoppelt dazu würden immer neue Kreditangebote zur Verfügung stehen, die solche Bedürfnisse ausnützen würden. Dadurch hätten viele einen schlechteren Überblick über ihre Finanzen.

«Insofern springt dieser Gegentrend auf die Probleme auf und versucht diesen zu begegnen», sagt Rost.

Wie zukunftsfähig ist «Cash Stuffing»?

Und tatsächlich: Bei Lehrlings- oder Einstiegslöhnen mache «Cash Stuffing» zur Kontrolle durchaus Sinn, findet Bente Roth. Aber langfristig auf die Bargeld-Methode zu setzen, auch sobald das Einkommen steigt, empfiehlt sie nicht.

«Wenn Sparpotential da ist, dann wird es durch die Inflation schwierig.» Man könne auch verschiedene Sparkonten anlegen, zum Beispiel für Ferien oder Steuern. Generell sollten sich ihrer Meinung nach auch junge Menschen mit ihrer Vorsorge befassen.

«Je früher man anfängt anzulegen, desto besser», sagt Finanz-Expertin Bente Roth.

Social-Medie-Experte: «Seit Jahren geht Finanzcontent viral»

Für den Social-Media-Experten Mike Schwede ist der «Cash Stuffing»-Trend nichts Ungewöhnliches.

Seit Jahren wären Finanz-Inhalte beliebt: «Von Bitcoin, über Investment Tipps und auch Spartipps und Hacks», sagt er zu Nau.ch.

Ganz so neu sei «Cash Stuffing» nicht. Am viralsten war die Methode Ende März bis Anfang April 2023, meint Schwede. Aufgrund der Budget-Schwierigkeiten würde er aber wieder aufkommen.

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Persönlich kann Mike Schwede mit «Cash Stuffing» nichts anfangen, da es auch andere Optionen für ein Finanzmanagement gibt. Die Neobank «Revolut» etwa bietet nebst Guthabenkarten auch eine App an, in der man verschiedene Budgetposten festlegen kann.

In der Schweiz könnte es aber auch wegen fehlender Strukturen und monatlicher Abrechnungen zum Trend kommen. «Mangels Wissen und den altertümlichen Apps der Schweizer Banken sucht man wohl nach Lösungen.»