«Ignorante» Halter wollen bewusst gefährlichen Hund
Hundeangriffe in der Schweiz nehmen zu – zuletzt gab es gleich zwei Vorfälle. Ein Problem: Gewisse Halter wollen bewusst einen gefährlichen Hund.
Das Wichtigste in Kürze
- 2023 hat die Anzahl der Hundebisse in vielen Kantonen zugenommen.
- Ein Problem: Gewisse Halter wollen bewusst einen verhaltensauffälligen Hund.
- Eine Tierheim-Chefin fordert schärfere Auflagen.
Ein achtjähriger Bub, der beim Fussballspielen von einem Schäferhund gebissen wird. Ein Pitbull, der einen kleineren Artgenossen attackiert. Oder ein Rottweiler, der ein zweijähriges Kind beisst und es fast tötet. Die Zahlen der Deutschschweizer Veterinärämter zeigen: Hundeattacken nehmen zu.
In Zürich zum Beispiel stieg die Zahl der Hundebisse gegen Menschen von 659 (im Jahr 2022) auf 839 (2023). In Bern wurden letztes Jahr 718 Menschen gebissen, im Vorjahr waren es noch 613.
Ähnlich entwickeln sich die Zahlen im Aargau: Dort gab es 2022 ganze 737 Vorfälle mit Hunden, 2023 sogar 780. In St. Gallen wurden 2022 immerhin 294 Menschen gebissen, letztes Jahr mit 376 ebenfalls deutlich mehr.
Warum es mehr Angriffe gibt, ist unklar. Bekannt ist aber, dass die Bevölkerungszahl in der Schweiz wächst. Mit mehr Menschen dürfte es mehr Haustiere und damit auch mehr verhaltensauffällige Hunde geben.
Hund soll Unsicherheit des Halters kompensieren
Katja Holenstein vom Tierheim Strubeli in Volketswil ZH beobachtet regelmässig, dass es Menschen gibt, die besser kein Haustier besitzen sollten.
«Einige wollen gar bewusst einen verhaltensauffälligen Hund, um eine eigene Unsicherheit zu kompensieren», sagt sie zu Nau.ch. «Solche Anfragen lehnen wir direkt ab.»
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Sie habe sich auch schon gedacht: «Gewisse Halter bräuchten besser eine Therapie, nicht einen Hund.»
Häufiger als Personen, die sich einen «gefährlichen» Hund wünschen, um sich «stark zu fühlen», begegne ihr aber ein anderes Phänomen: «Viele Menschen mit psychischen Problemen wollen sich zum Trost ein Haustier anschaffen. Manchmal empfehlen sogar Therapeuten diesen Menschen, sich ein Haustier zu holen!»
Man müsse jeweils gut abschätzen, ob eine Person trotz Krankheit der Verantwortung gewachsen sei. «Im Zweifelsfall entscheiden wir eher für das Tier als für den Menschen.»
Jugendliche holt Hund zum Trost – und ist «heillos überfordert»
Denn: «Leidet jemand etwa unter Depressionen, schafft es die Person unter Umständen nicht, ein Tier zu versorgen. Und genau diese Hunde landen dann traumatisiert, ängstlich, aggressiv oder generell verhaltensauffällig bei uns.»
Holenstein erinnert sich an ein Beispiel. «Wir hatten einmal den Fall einer psychisch schwer kranken 18-Jährigen. Sie hatte sich im Internet einen Schäferwelpen als Trostpflaster bestellt.»
Schon nach drei Tagen wurde er «traumatisiert» ins Tierheim gebracht. «Die Besitzerin war heillos überfordert.»
«Haltern ist nicht bewusst, dass sie ihr Tier gefährden»
Beisst ein Hund zu, kann das für ihn den Tod bedeuten. Das zeigte kürzlich ein Vorfall in St. Gallen, wo ein bissiger Hund mit einer Axt erschlagen wurde.
«Gewissen Haltern ist nicht bewusst, dass sie ihr Tier gefährden, wenn sie seine Verhaltensauffälligkeiten nicht im Griff haben. Diese Menschen sind oft ignorant und unwissend», sagt Holenstein.
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Sie fordert deshalb schärfere Auflagen. «Allenfalls muss man Tiere beschlagnahmen und ein Halteverbot erteilen und durchsetzen. Ausserdem sollte der Besuch einer Hundeschule endlich wieder für alle obligatorisch sein.»
Und für sie ist klar: Jeder Hund, der nicht zu 100 Prozent zuverlässig zurückgerufen werden könne, gehöre an die Leine.