Geldmacherei mit pflegenden Angehörigen? Es sieht ganz danach aus!
Private Spitex-Firmen bereichern sich auf Kosten der Steuer- und Prämienzahlenden. Dieser Fehler muss politisch korrigiert werden, findet Patrick Hässig.
Das Wichtigste in Kürze
- Patrick Hässig sitzt für die GLP im Nationalrat.
- Für Nau.ch schreibt der Zürcher regelmässig Kolumnen.
Vorweg: Ich unterstütze das System der «Pflegenden Angehörigen». Dass sich jedoch gewisse private Spitex-Firmen auf Kosten der Steuer- und Prämienzahlenden bereichern können, ist daneben. Es ist ein Fehler im System. Das muss politisch korrigiert werden.
Geschäftsmodell beschert sichere Einnahmen
Angehörige, welche ihre Liebsten, teils sehr aufwändig und zeitintensiv, zu Hause pflegen, sollen für ihre Arbeit eine Entschädigung erhalten. Dass sich jedoch einige private Spitex-Unternehmen eine «goldene Nase» verdienen, geht nicht.
Das Geschäftsmodell beschert diesen privaten Spitex-Firmen sichere Einnahmen.
So funktioniert dieses System
In der Regel erhalten die Privatpersonen für die Pflege von Angehörigen einen Stundenlohn von ungefähr 30 bis 35 Franken. Spitex-Firmen erhalten von der Krankenkasse für diese Pflegeleistungen 52,60 Franken pro Stunde.
Hinzu kommt ein sogenannter Restkostenfinanzierungsbetrag, den Kantone und Gemeinden finanzieren und der je nach Region unterschiedlich ausfällt. Diese Restkosten sollten zum Beispiel Wegkosten oder Infrastrukturkosten decken. Dabei haben pflegende Angehörige kaum Wegkosten. Die Meisten von ihnen wohnen im selben Haushalt. Die Firma verrechnet jedoch frisch fröhlich ab. Bei allen pflegenden Angehörigen, welche sie angestellt haben. Egal, ob es gerechtfertigt ist oder nicht.
35 Franken Gewinn – pro Stunde!
Unter dem Strich erhalten diese privaten Spitex-Firmen so ungefähr zwischen rund 70 und 90 Franken je geleistete Pflegestunde. Nochmals zum Vergleich, was sie den pflegenden Angehörigen ausbezahlen: 30 bis 35 Franken pro Stunde!
Private Anbieter für pflegende Angehörige machen also bis zu 35 Franken Gewinn! Pro Stunde.
Gesundheitskosten noch stärker belastet
Die sonst schon hohen Gesundheitskosten werden durch diese Art von Abrechnung noch mehr belastet. Auf Kosten von uns Steuer- und Prämienzahlenden. Seit ein paar Monaten schiessen diese Firmen wie Pilze aus dem Boden. Da muss es etwas zu holen geben.
Wurde korrekt abgerechnet?
Laut offiziellen Zahlen (Quelle Bundesamt für Statistik) verrechnen diese privaten Spitexorganisationen pro Klienten viel mehr Stunden (Faktor 2,5) als die öffentlichen Spitexunternehmen.
Da kommt der Verdacht auf, dass übermässig viele Leistungen abgerechnet werden. Auch die aggressive Werbestrategie mit Targeting, beispielsweise auf Instagram, zeigt, dass die Geschäftsziele lukrativer Art sind.
Mehr Lohn als ausgebildete Pflegefachpersonen
Stossend ist auch, dass gewisse pflegende Angehörige in speziellen Konstellationen sogar deutlich mehr verdienen als ausgebildete Pflegefachpersonen. Der Stundenlohn liegt nicht weit unter dem einer «FaGe», die eine dreijährige Ausbildung mit EFZ gemacht hat. Diese hat zudem noch Kosten für Verpflegung und Arbeitsweg. Wenn so etwas möglich und legal ist, ist das System doch falsch?
Pflegende Angehörige können einen Mehrwert und eine Entlastung im Gesundheitssystem sein. Das Argument, dass sie dem Fachkräftemangel direkt entgegenwirken, ist jedoch irreführend und falsch.
Gesundheitssystem weiter unter Druck
Der Fachkräftemangel besteht beim ausgebildeten Personal (FaGe und Diplomierte Pflege) und nicht beim Assistenzpersonal auf Stufe SRK-Kurs. Mit den steigenden Gesundheitskosten durch dieses Businessmodell kommt das Gesundheitssystem weiter unter Druck, was eher noch negative Auswirkungen auf den bereits bestehenden Fachkräftemangel haben kann. Das dringend benötigte Geld fliesst nun zu privaten Firmen, die zum Teil noch aus dem Ausland kommen.
Hohe «Margen», von uns allen bezahlt, sind verwerflich. Ethisch, gesundheits- und finanzpolitisch.
Es fehlen schweizweit verbindliche Rahmenbedingungen für die Anstellung von pflegenden Angehörigen. Hier werde ich mich national, sowie zusammen mit meinen Kolleginnen und Kollegen auf kantonaler Ebene, dafür einsetzen.
Zur Person: Patrick Hässig (45) sitzt seit 2023 für die GLP im Nationalrat. Er ist wohnhaft in der Stadt Zürich und arbeitet als diplomierter Pflegefachmann HF auf einem Kindernotfall. Für Nau.ch schreibt er regelmässig Kolumnen.