China-Strategie von Ignazio Cassis sorgt für Kontroverse
Die Schweiz hat nun eine Strategie für ihre China-Politik. Ins Zentrum gerückt ist der Dialog um die Menschenrechte. Das ärgert aber die chinesische Regierung.
Das Wichtigste in Kürze
- Der Bundesrat hat zum ersten Mal eine öffentliche Strategie für seine China-Politik.
- Im Zentrum steht auch der Menschenrechtsdialog, den die Schweiz fortsetzen will.
- China sieht damit aber einen Angriff auf seine Innenpolitik und warnt die Schweiz.
Vergangenen Freitag verabschiedete der Bundesrat die China-Strategie von Aussenminister Ignazio Cassis. Es ist die erste öffentliche Strategie für die asiatische Grossmacht. Damit wolle die Schweiz eine einheitliche und eigenständige Chinapolitik betreiben, sagte Cassis an der Medienkonferenz.
Besonders betont wurde der Menschenrechtsdialog mit China. Der Bundesrat wolle immer schweizerische Werte in seiner Aussenpolitik vertreten, so Cassis. Doch die Bereitschaft der Volksrepublik, über Menschenrechte zu sprechen, habe abgenommen.
China streitet Vorwürfe von Menschenrechtsverletzungen ab
China ist aber, gelinde gesagt, mit der Strategie des Bundesrats eher unzufrieden. Am Montag hielt Botschafter Wang Shihting eine Medienkonferenz, anschliessend gewährte er dem «Tagesanzeiger» ein Interview. Darin schoss er scharf gegen die Schweiz und ihre Strategie.
Das Dokument enthalte «unbegründete Anschuldigungen und Angriffe auf Chinas politisches System, die Menschenrechtslage sowie die Innen- und Aussenpolitik, die von den Fakten abweichen.» Die Menschen in China führten ein sicheres und glückliches Leben, so Botschafter Wang.
Als er aber auf die Uiguren angesprochen wird, rechtfertigt der chinesische Beamte die Programme der Regierung. Die Uiguren sind eine muslimische Minderheit in der Provinz Xinjiang, die seit Jahren in Umerziehungslager interniert werden.
Das geschieht oft mit Gewalt, Folter und strenger Überwachung. Es wird sogar berichtet, dass uigurische Frauen zwangssterilisiert werden. Die offizielle Rechtfertigung der chinesischen Regierung dazu ist auch diejenige von Botschafter Wang: Nach zahlreichen terroristischen Anschlägen habe China Massnahmen gegen islamistischen Extremismus ergreifen müssen.
Soll sich die Schweiz einmischen?
Es seien Berufsausbildungszentren gebaut worden. «Dadurch hat sich die Sicherheitslage in Xinjiang deutlich verbessert», so der Botschafter. «Es gibt dort gar keine Internierungs-, Umerziehungs- oder gulagartige Lager.»
China fühlt sich durch die Anschuldigungen des Bundesrats entsprechend angegriffen. Es sei zu hoffen, sagt Wang, dass die Schweiz «das richtige politische Klima» für die Fortsetzung der Menschenrechtsdialoge schaffe. Und den Dialog nicht missbrauche, um sich in «Innere Angelegenheiten» Chinas einzumischen.
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty hingegen begrüsst die China-Strategie, wie Michael Ineichen, Leiter Advocacy bei Amnesty Schweiz mitteilt. Zumindest rhetorisch hätten die Menschenrechte einen zentraleren Platz im Dialog zwischen der Schweiz und China. «Der Wert der Strategie wird sich allerdings erst in der konkreten Umsetzung zeigen», fügt er hinzu.
Der Bundesrat müsse konsequenter und klarer die Einhaltung von Menschenrechtsnormen fordern. Amnesty fordere unter anderem eine unabhängige Beobachtungsmission nach Xinjiang, um die Vorwürfe zu untersuchen.