Coronaimpfung bei Kindern: Wie Eltern sich einigen können
Soll das eigene Kind gegen Corona geimpft werden? Das entscheiden Eltern idealerweise gemeinsam. Doch was passiert, wenn es in dieser Frage Streit gibt?
Das Wichtigste in Kürze
- Der Coronaimpfstoff für Kinder ist in der Schweiz zugelassen.
- Ob das Kind geimpft wird oder nicht, ist eine Entscheidung zum Wohl des Kindes.
- Konstruktive Auseinandersetzung statt endlosem Streit: Informationen können helfen.
- Informationsquellen können unabhängige Spezialisten, Kinderärzte oder das BAG sein.
Die Mutter wünscht sich für die siebenjährige Tochter eine Schutzimpfung gegen Corona, und zwar am liebsten sofort. Der Vater ist strikt dagegen.
So ein Streit könnte in diesen Tagen bei vielen Eltern auftreten. Denn die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) hat den Impfstoff von Biontech/Pfizer für 5- bis 11-Jährige zugelassen.
Das Bundesamt für Gesundheit BAG und die Eidgenössische Kommission für Impffragen EKIF empfehlen die Covid-19-Impfung je nach Nutzen-Risiko-Abwägung mit einer oder mit zwei Dosen nun auch für fünf- bis elfjährige Kinder.
Damit steht auch hierzulande offiziell ein Impfstoff für die Altersgruppe bereit. Das bedeutet, dass nun wohl mehr Kinderärztinnen und Kinderärzte bereit sind, diese Impfungen für unter 12-Jährige anzubieten. .
Richtig Fahrt aufnehmen sollen die Kinderimpfungen in der Schweiz ab Anfang Januar. Dann soll die spezielle Formulierung des Impfstoffes verfügbar sein.
Wenn der Streit eskaliert
So ist also der Stand: Der Impfstoff ist für diese Altersgruppe zugelassen, in wenigen Wochen soll eine Menge davon zur Verfügung stehen.
Damit zurück zum geschilderten Szenario: Die Mutter möchte die Impfung, der Vater nicht. Wie geht es in solchen Fällen weiter?
«In intakten Familien wird es bei Unstimmigkeiten einen heftigen Austausch geben und schliesslich eine Einigung», sagt Eva Becker, Rechtsanwältin und Expertin für Familienrecht.
Wenn das nicht passiert, könnte ein Elternteil vor Gericht ziehen. «Das muss die Person sein, die eine Impfung durchführen will, obwohl das andere Elternteil dagegen ist», sagt Becker.
Denn diese Person möchte eine alleinige Entscheidung treffen, obwohl das bei einem geteilten Sorgerecht nicht erlaubt ist, erklärt die Anwältin.
Gericht prüft: Wer hat die besseren Argumente?
Mit solchen Fällen mussten sich Gerichte auch schon vor der Coronapandemie immer wieder beschäftigen – auch um Impfungen gegen Masern, Tetanus oder Keuchhusten kann es Streit in Familien geben.
Das Gericht bestimmt in so einer Situation nicht, ob ein Kind geimpft wird oder nicht. «Sondern es entscheidet, wer die Entscheidung für das Kind treffen darf», sagt Eva Becker.
Wille und Wohl des Kindes
Ausserdem spielen der Wille und natürlich das Wohl des Kindes eine Rolle.
Im Alter von fünf bis elf Jahren dürfen Kinder zwar noch nicht selbst über medizinische Fragen wie Impfungen entscheiden. Erst ab 14 Jahren wird ihnen die geistige Reife dafür grundsätzlich zugetraut, dann spielt ihre Meinung eine grössere Rolle.
Doch auch für Jüngere gilt: «Was sie sagen, hat Gewicht. Deshalb werden sie angehört», sagt Becker. Darüber hinaus sind vor allem die Argumente der Eltern entscheidend – und deren Grundlage.
«Wer sich an der Wissenschaft und an Fachgremien orientiert, hat vor Gericht natürlich bessere Chancen als Eltern, die sich eher an Verschwörungstheoretiker halten», sagt Becker.
Orientierungshilfen für Eltern
Mit Blick auf die Coronaimpfung für Kinder kann es in vielen Familien Unsicherheiten oder Streitigkeiten geben – ohne dass diese vor Gericht landen.
Woran sollten sich Eltern orientieren, wenn sie über die Impfung ihrer Kinder entscheiden müssen?
Der Kinderarzt Jakob Maske rät Eltern, auf die eine offizielle Empfehlung zu warten. «Es muss eine Studienlage geben, die zeigt, dass die Impfung für Kinder sicher ist und tatsächlich etwas bringt», sagt Maske.
Wertfrei diskutieren
Doch auch mit vorhandener Empfehlung von Seiten gesundheitlicher Behörden kann es passieren, dass die Familie übers Impfen streitet. Was rät Maske in dieser Situation?
«Man kann nicht immer Einigkeit zwischen zerstrittenen Eltern erzeugen, aber es macht immer Sinn, sich von einem unabhängigen Spezialisten beraten zu lassen», sagt der Mediziner.
«Natürlich gibt es auch zwischen Kinder- und Jugendärzten unterschiedliche Meinungen, aber man sollte sich die Vor- und Nachteile schildern lassen und wertfrei darüber diskutieren.»
Zusätzlich oder vorbereitend zur ärztlichen Beratung können sich Eltern selbst über die Vorteile und möglichen Risiken der Impfung informieren – hier sollte man auf fundierte Quellen achten.
Eine gute Anlaufstelle im Internet ist beispielsweise die Website Bundesamtes für Gesundheit BAG.
Herrscht trotz guter Information und ärztlicher Beratung keine Einigkeit, muss der Familienstreit nicht gleich vor Gericht landen.
Vorher könnten sich Eltern ans Jugendamt oder an andere Beratungsstellen wenden und versuchen, zu einer Einigung zu kommen, sagt Anwältin Eva Becker. «Das macht aber nur Sinn, wenn man offen für die Meinung des anderen ist und bereit ist, diese zu erwägen.»