Depression im Alter: So können Angehörige helfen
Wenn ältere Menschen an Depression erkranken, bringt das besondere Probleme mit sich. Ein grosses Thema: das Alleinsein. Nau erklärt, was Angehörige tun können.
Das Wichtigste in Kürze
- Depression ist die am häufigsten auftretende psychische Erkrankung.
- Im Alter nimmt sie jedoch oft besondere Züge an: Alleinsein wird zum Thema.
- Deshalb sind nicht immer Medikamente die Lösung, sondern zum Beispiel ein Gottesdienst.
- Angehörige sollten sich gut informieren, um ihre Hilfe entsprechend einzusetzen.
Ein grauer Schleier, der sich über das Leben legt. Die quälende Frage: «Wozu weitermachen?» Leere, wo früher vielleicht Freude war.
Die Depression ist die am häufigsten auftretende psychische Erkrankung. Laut dem Bundesamt für Statistik leiden 9% der Schweizer Bevölkerung an Depressionen.
Unter ihnen sind auch viele ältere Menschen. Krankheiten, Abschiede von Weggefährten, Einsamkeit: Angesichts dieser belastenden Themen könnte man sogar meinen, dass Depressionen im Alter häufiger auftreten als in jüngeren Jahren.
Allerdings stimmt das nicht so ganz: «Eine Depression ist weniger eine Reaktion auf schwierige Lebensumstände, sondern eine eigenständige Erkrankung», sagt Ulrich Hegerl, Professor für Psychiatrie an der Goethe-Universität Frankfurt am Main.
Oft gab es depressive Schübe in der Vergangenheit
Die meisten älteren Menschen, die an der psychischen Erkrankung leiden, hätten schon früher im Leben depressive Phasen gehabt, sagt Hegerl.
Mit dem Alter gibt es allerdings Besonderheiten: «Die belastenden Themen sind andere als in der Jugend oder im mittleren Alter», ist die Erfahrung von Armin Rösl.
Rösl leitet eine Selbsthilfegruppe und weiss: Ein grosses Thema ist das Alleinsein.
Grössere Suizidgefahr bei Männern
Wenn auch in der Summe nicht häufiger, so sind Depressionen im Alter auf jeden Fall gefährlicher, sagt Ulrich Hegerl. «Es gibt eine exzessiv zunehmende Suizidgefährdung vor allem bei Männern.»
Und nicht nur das: Kommt ein alter Mensch tagelang nicht aus dem Bett, bewegt sich wenig und trinkt kaum etwas, kann auch das lebensbedrohlich werden, etwa durch eine Thrombose.
Worauf sollten Angehörige achten, um eine solch brenzlige Situation gar nicht erst entstehen zu lassen?
Wenn sich ein geliebter Mensch stark zurückzieht, auf Anrufe nicht mehr reagiert und nur noch wenig von sich preisgibt, können das Alarmzeichen sein.
Auch wenn die betroffene Person keinen Antrieb findet, sich zu pflegen, zu waschen und anzuziehen, deutet das auf eine Depression hin.
Typisch ist auch eine tiefe Freudlosigkeit. «Der Tonfall ist eher Moll», sagt Armin Rösl. Die Menschen seien eher still, «was sie sagen, ist von Traurigkeit bestimmt.»
Lieber einmal zu oft nachfragen
Was können Angehörige und Nahestehende dann tun? Denjenigen auf jeden Fall ansprechen, raten die Experten. Auch wenn es manchmal schwer sei, die richtigen Worte zu finden: «Lieber einmal zu viel nachgefragt als zu wenig», sagt Rösl.
Erste Anlaufstelle ist dann die Hausarztpraxis. Dort können Patienten an einen Psychiater oder an einen psychologischen Psychotherapeuten überwiesen werden. Angehörige können anbieten, als Unterstützung zu den Terminen zu begleiten.
Vor allem, wenn die depressiven Symptome im Alter zum ersten Mal auftreten, sollte der Arzt zunächst andere Ursachen ausschliessen, sagt Armin Rösl.
«Liegen zum Beispiel Durchblutungsstörungen vor oder immunologische Erkrankungen – oder ist es eher ein Fatigue-Syndrom, bei dem man permanent müde ist?»
Ein genauer Blick auf Laborwerte und die Hirnstrukturen ist wichtig, um Antworten auf diese Fragen zu finden. Auch Alzheimer oder andere Demenzerkrankungen werden manchmal mit einer Depression verwechselt.
Auf Wechselwirkungen bei Medikamenten achten
Eine Depression lässt sich zwar nicht im klassischen Sinne heilen, ist aber gut behandelbar – oft durch eine Kombinaton aus Medikamenten und Psychotherapie.
Bei Antidepressiva muss allerdings gut geprüft werden, welches Präparat sich eignet. «Oft haben alte Menschen schon andere Erkrankungen und nehmen bereits andere Medikamente, da kann es Wechselwirkungen geben», sagt Ulrich Hegerl.
In Ergänzung zu Therapie und Medikamenten können Betroffene aber auch selbst einiges tun, um Beschwerden zu lindern. Sie sollten es sogar: «Einfach nur Medikamente zu schlucken und zu warten, bis es vorbeigeht, das funktioniert nicht», sagt Armin Rösl.
Alten Menschen mit Depressionen kann es helfen, sich zum Beispiel bewusst Zeit für einen täglichen Spaziergang zu nehmen.
«Oder ich kann ein- oder zweimal pro Woche in einen bestimmten Gottesdienst gehen», so Rösl. Auch Senioren-Treffs können solch ein fester Termin sein.
Angehörige sollten Verständnis entwickeln
Für Angehörige ist es wichtig, die Krankheit richtig einzuordnen. Dass jemand die einfachsten Dinge nicht mehr schaffe, kann das Umfeld anfangs oft nicht verstehen. Hegerl sagt: «Das ist kein böser Wille und kein Sich-Gehen-Lassen.»
Wichtig ist auch: Angehörige dürfen wissen, dass sie keine Schuld an der Erkrankung tragen – und auch nicht für eine Heilung verantwortlich sind. «Mit Liebe allein kann man eine Depression ebenso wenig heilen wie eine Blinddarmentzündung», stellt Hegerl klar.