Die Angst vor dem Alltag nach Corona
Zumindest in Europa scheint das Schlimmste der Corona-Pandemie überstanden. Doch viele Menschen fürchten sich nun vor der Rückkehr zum Alltag.
Das Wichtigste in Kürze
- Die sogenannte Corona Re-Entry Anxiety wurde vor allem in den USA beobachtet.
- In Europa wird es für viele Menschen schwer, den Weg in den normalen Alltag zu finden.
- Vor allem die Unsicherheit macht vielen zu schaffen.
Über ein Jahr lang hielt die Corona-Pandemie Europa im Griff. Der grösste Teil des öffentlichen Lebens war lahmgelegt und wer konnte, der arbeitete im Homeoffice.
Erst mit Beginn des Frühlings wagte der Bundesrat grössere Öffnungsschritte.
Wenn Ende Mai alle impfbereiten Risikogruppen geschützt sind, soll der Übergang von der Schutzphase in die Stabilisierungsphase erfolgen. Dazu gehören weitere Öffnungsschritte, die grössere Veranstaltungen erlauben werden.
Doch viele Menschen merken, dass sie dazu gar nicht bereit sind. In den USA wird dieses Phänomen als Corona Re-Entry Anxiety bezeichnet.
Die Suche nach Normalität
Über Monate hinweg wurde dem Gehirn suggeriert, dass von anderen Menschen Gefahr ausgeht. Wenn überhaupt, wagten sich die meisten Menschen nur mit Masken an öffentliche Orte.
Zuhause schmolz die Welt auf einen sehr kleinen Kreis an engen Familienmitgliedern.
Die erneute Umstellung fällt nun natürlich schwer, denn im Gehirn kann nicht einfach ein Schalter umgelegt werden. Experten raten daher zu einem schrittweisen Wiedereintritt in das Alltagsleben.
Ganz wichtig dabei: Halten Sie sich vor Augen, dass es anderen Menschen genauso geht.
Die Bucket List für den Sommer
Ein erster Schritt kann es sein, zu Hause eine Bucket List zu erstellen. Auf diese Liste schreiben Sie die Dinge, auf die Sie sich freuen: Endlich wieder mit der Freundin essen gehen. Endlich wieder im Kino sitzen oder mit der Fussballmannschaft trainieren. Der erste Shoppingbummel, die erste Reise.
Treffen Sie sich mit einer Freundin im Freien. Gehen Sie ein Glacé essen oder einen Kaffee trinken. Im nächsten Schritt kann es dann ein ausgiebiges Essen im Aussenbereich sein.
Im dritten Schritt wagen Sie einen kürzerer Aufenthalt in einem Innenraum, zum Beispiel beim Coiffeur, und im vierten Schritt einen längerer Kinobesuch.
Es ist okay, nicht alles wieder zu wollen
Viele Menschen haben in der erzwungenen Pause gemerkt, dass ihnen diese guttut. Dass es «vorher» alles zu viel gewesen war: Ständige Treffen mit anderen, ständiges Ausgehen, ständige Reisen.
Auch hier sind Sie nicht alleine.
Haben Sie während der Pandemie Ihre Freude am stillen Gärtnern oder an dicken Büchern entdeckt, behalten Sie es bei. Niemand zwingt Sie zum nervigen «After Work Drink» mit Arbeitskollegen, von denen Sie nach Feierabend ohnehin die Nase voll haben.
Sie müssen sich nicht an jedem Wochenende mit Freunden treffen, wenn Sie lieber alleine wären.
Erweitern Sie Ihren Aktionsradius nur langsam
Es mag den ein oder anderen Menschen geben, der jetzt schon wieder Ferienreisen in die Karibik oder nach Thailand bucht. Packt Sie beim Gedanken an vollbesetzte Flugzeuge, Menschenmassen am Flughafen und an Strandpromenaden das Grauen?
Das geht vielen so. Planen Sie nicht von Anfang an zu viele Aktivitäten auf einmal.
Unternehmen Sie einen Halbtagsausflug zu einem touristischen Ziel in der Nähe, das Sie seit Jahren besuchen wollten. Dann einen Tagesausflug und später eine mehrtägige Reise mit dem eigenen Auto.
Stopfen Sie Ihren Terminkalender nicht sofort wieder voll mit Plänen. Sie riskieren, dass Sie sich selbst überwältigen und ausbrennen.
Auszeit von der Medienflut
Seit einem Jahr starrt die Menschheit wie gebannt auf die täglichen Corona-Zahlen. Wir haben ein ganz neues Vokabular um Inzidenz- und R-Werte erworben.
Bei vielen Menschen ging es so weit, dass sie täglich immer wieder im Internet und in sozialen Medien nach neuen Meldungen suchten.
Auch dafür wurde prompt ein Begriff erfunden: Doomscrolling. Beschränken Sie sich darauf, einmal täglich Nachrichten zu lesen oder im Fernsehen zu sehen.
Dabei erfahren Sie alles Wichtige aus der Welt und Ihrer Region. Mehr benötigen Sie nicht mehr.
Konzentrieren Sie sich auf das echte Leben draussen: Menschen, die Sie wieder sehen können, Dinge die Sie unternehmen können. Doomscrolling führt nur zu einem Gefühl des Kontrollverlustes und der damit einhergehenden Unsicherheit.
Suchen Sie Unterstützung
Helfen all diese Tipps nichts, suchen Sie sich professionelle Hilfe. Die Zahl der Menschen mit Depressionen und Angststörungen ist während der Krise stark gestiegen.
Ein Psychotherapeut oder eine Selbsthilfegruppe kann Ihnen helfen, Ihre Gefühle zu analysieren und Ihre Ängste zu überwinden.