Hypnose: Warum viele Meditationen überhaupt keine sind
Meditationen sind inzwischen im Westen vollständig angekommen, viele Menschen meditieren regelmässig. Dennoch liegt meist ein Irrglaube über dieses Thema vor.
Das Wichtigste in Kürze
- Viele praktizierte und geführte Meditationen sind im Grunde genommen (Selbst-)Hypnosen.
- Es gibt spür- und messbare Unterschiede zwischen hypnotischer und meditativer Trance.
- Meditation hat kein Ziel, sondern begründet sich auf Absichts- und Bewertungsfreiheit.
Viele Menschen suchen in der aktuellen Situation nach Entspannungen und Möglichkeiten, selbst in die Ruhe zu gelangen. Neben Yoga ist besonders die Meditation in den letzten Jahren ganz besonders in den Fokus des öffentlichen Interesses gerückt. Die Angebote sind mittlerweile sowohl auf Plattformen, Streamingdiensten und in Präsenzform schier unüberschaubar geworden.
Den Menschen tut es gut, zu meditieren, sich aus den alltäglichen Herausforderungen herauszulösen und so ihre Probleme zu bearbeiten. Viele hochwertige Programme können optimal dazu beitragen, neue Sichtweisen zu eröffnen, Belastungen loszulassen und eigene Themen in Frieden zu bringen. Das sind meist die Ziele und Motivationen meditierender Menschen, ergänzt durch den Wunsch nach tiefer Entspannung.
Eine Frage der Bezeichnung
Doch nun kommt das grosse ABER: Die meisten angebotenen «Meditationen» sind, genau betrachtet, nämlich geführte Hypnosen bzw. selbst praktiziert Selbsthypnosen. Doch wie ist das möglich und wird hier Wissen falsch gelehrt oder weitergegeben?
Den Begriff «falsch» legen wir gleich beiseite: Jeder gibt das weiter, was er selbst erfahren und gelernt hat. Sehr häufig wird die Meditation auch so beigebracht: Lege dich bequem hin, entspanne dich, werde immer ruhiger, du stellst dir nun vor…
Doch all diese Formulierungen sind Elemente der hypnotischen Trance und dienen der Induktion (Einführung in die Hypnose). Der Knackpunkt liegt durchaus bereits in den Begrifflichkeiten: «Hypnose» wird grösstenteils immer noch sehr negativ – mit Show-Hypnosen verknüpft – und als Zustand der Willenlosigkeit angesehen. Dagegen ist die Bezeichnung «Meditation» positiv eingestuft, sind damit doch Vorstellungen von entspannten Menschen oder fokussierten Mönchen verbunden.
Das Wesen der (Selbst-)Hypnose
Der zweite Knackpunkt ist darin zu finden, dass in vielen «Meditationen» mit positiven, stärkenden und unterstützenden Vorstellungen und (Selbst)Suggestionen gearbeitet wird. Diese sollen dazu beitragen, an eigenen Themen zu arbeiten, ein bestehendes Gefühl zu verändern und neue, innere Bilder zu kreieren.
Der Mensch liebt das. Von Kindheit an, nutzen wir unsere Fantasie, Vorstellungen zu gestalten. In diesen Momenten sind wir kreativ. All das Beschriebene sind jedoch Charakteristika der Hypnose. Um in den Zustand der hypnotischen Trance eintauchen zu können, braucht es die Entspannung. In der Entspannung angelangt, werden Neubewertungen angestrebt.
Das so erreichte Unterbewusstsein arbeitet über Emotionen und Vorstellungen und diesen Bewusstseinszustand erreichen wir am besten mittels hypnotischen Induktionen. Neben den spürbaren Veränderungen in der hypnotischen Trance sind auch anhand von EEG-Messungen (Elektroenzephalogramm) andere Hirnströme messbar: leichte (Alphawellen 9-13 Hz), mittlere (Thetawellen 4-8 Hz) und tiefe hypnotische Trance (Deltawellen 0,5-3 Hz).
Ziel der Hypnose ist, das Unterbewusstsein anzuleiten, neue Bewertungen hinsichtlich einer Thematik zu entwickeln. Beispielsweise soll die Spinne dann nicht mehr negativ gesehen werden.
Durch Meditation zur Absichtslosigkeit
Die meditative Trance wiederum kann gänzlich andere Hirnströme aufweisen (Gammawellen >30 Hz). Auch das kann am EEG gezeigt werden, wie mitunter bereits eine Studie aus dem Jahre 2010 an Mönchen mit mindestens 10’000 Erfahrungsstunden in Meditation, an der University of Wisconsin in Madison verdeutlicht hat. Doch worin besteht nun der Unterschied?
Meditation nimmt sich nicht als Ziel, körperlich tiefenentspannend zu wirken, neue Vorstellungen und Bewertungen zu kreieren, sondern nutzt eine absolute Fokussierung. Das bedeutet, seine gesamte Aufmerksamkeit und Energie auf eine bestimmte Angelegenheit zu richten.
Natürlich schliesst man dabei die Augen, visuelle Reize würden zu sehr ablenken. Durch absolute Fokussierung fällt es dem Geiste leichter, hinsichtlich der gewählten Thematik, damit verbundene Erinnerungen, Emotionen und Vorstellungen zu trennen. In der Meditation bleibt man für einen bestimmten Zeitraum bei dieser Thematik, man wird aber zum Beobachter.
Somit taucht man nicht in das Unter-, sondern ins Überbewusstsein ein – eine sogenannte transzendentale Ebene. Gedanken dürfen genauso kommen, dennoch lenkt man seine Aufmerksamkeit immer wieder zurück auf das Thema, ohne dabei in die Bewertung dieses Themas zu versinken. Wie aus dem Buddhismus überliefert, liegt die Idee der Meditation darin, über den fokussierten Gedanken nicht zu urteilen.
Sehr anschaulich ist das einfache Beispiel der Atmung: Stellen Sie sich dazu einen Timer für beispielsweise 3 min und denken Sie sich nur «Ich atme ein, ich atme aus.» Spüren Sie dabei auch die Bewegung des Körpers. In der Meditation spielt es keine Rolle, was sonst so geschieht oder ob der Körper irgendwo zwickt.
Die Atmung ist in diesem Moment einfach – weder gut noch schlecht. Natürlich gibt es auch komplexere Meditationen und angeleitete Formen. Doch der reine Fokus, die Bewertungsfreiheit und die Trennung von jeglichen Verknüpfungen mit Vorstellungen und Emotionen bleibt ihr Grundwesen.
Autor: Philipp Feichtinger, BEd. – Heilpraktiker, Hypnose- und Naturheiltherapeut