Vegan essen: Dr. Alexa Iwan erklärt, worauf man dabei achten sollte
Welche Vorteile und auch Herausforderungen bringt es, komplett vegan zu essen? Die Ernährungswissenschaftlerin Dr. Alexa Iwan klärt im Interview auf.
Das Wichtigste in Kürze
- Die pflanzenbasierte Ernährung hat diverse gesundheitliche Vorteile.
- Bereits nach 30 Tagen veganer Ernährung kann man eine Veränderung bemerken.
- Wer vegan isst, sollte auf die Versorgung kritischer Nährstoffe wie Eisen oder B12 achten.
- Ersatzprodukte erleichtern die Umstellung, sind im Nährwert aber oft nicht vergleichbar.
Immer mehr Menschen entscheiden sich, vegan zu leben. Der Aktionsmonat «Veganuary», den es seit 2020 auch in der Schweiz gibt, hilft mit fundierten Informationen und Tipps, die Ernährungsweise für 30 Tage unkompliziert auszuprobieren.
Während des Veganuarys bieten auch viele Detailhändler spezielle vegane Produkte an. Das macht den Umstieg leichter. Dennoch kommen während des Monats bei vielen Teilnehmern Fragen zu Ernährung und Gesundheit auf.
Ernährungswissenschaftlerin Dr. Alexa Iwan spricht im Interview über die Vorteile und möglichen Schwierigkeiten einer pflanzenbasierten Ernährung.
Welche gesundheitlichen Vorteile ergeben sich durch eine vegane Ernährung?
Iwan: Die Vorteile einer pflanzenbasierten Ernährung sind gut dokumentiert:
Durch die reduzierte Aufnahme tierischer Fette und die gleichzeitig erhöhte Aufnahme an sekundären Pflanzenstoffen und Ballaststoffen verringert sich das Risiko für diverse weitverbreitete ernährungsabhängige Krankheiten – wie z.B. Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes Typ 2, Bluthochdruck oder Krebs.
Reichen 30 Tage schon aus, um erste Veränderungen zu bemerken?
Iwan: Auf jeden Fall reichen 30 Tage aus, um einen Unterschied zu spüren und vielleicht auch etwas an Gewicht zu verlieren.
Wobei man sich nichts vormachen sollte: Es wird sich nicht von heute auf morgen die komplette Gesundheit verbessern. Manch einer wird vielleicht am Anfang sogar mit der erhöhten Aufnahme an Ballaststoffen zu kämpfen haben und ein Rumoren im Darm spüren.
Und es kommt natürlich immer auch auf die Ausgangslage an: Wer sich vorher sehr ungünstig ernährt hat, spürt sicherlich einen grösseren Unterschied als jemand, der vorher schon recht gesundheitsbewusst gegessen hat.
Die meisten Menschen berichten von einer Zunahme an Energie, sobald sie mehr pflanzliche Produkte verzehren.
Vegane Ernährung ist eine grosse Umstellung und für viele am Anfang eine Herausforderung. Wie bleibt man am Ball?
Iwan: Ich nehme an, dass manche am Anfang tatsächlich etwas struggeln werden, denn vegan zu kochen, erfordert ein bisschen Umdenken in der Küche.
Wie ersetze ich Käse? Wie bekomme ich Geschmack ins Essen, wenn ich zum Beispiel keine Speckwürfel anbraten kann? Was schmiere ich eigentlich aufs Brot? Und wie ist das mit Süssigkeiten?
Deshalb ist es sinnvoll, den Veganuary bewusst zu planen. Also vorab schon einmal in veganen Foren nach ansprechenden Rezepten suchen.
Man sollte sich informieren, mit welchen Produkten man z.B. Eier ersetzen kann, recherchieren, welche veganen Produkte in den Vorratsschrank gehören.
Und dann gilt es, wirklich konkrete Essenspläne für diese Tage bzw. Wochen zu machen, sodass man nicht in die Situation gerät, Hunger zu haben und nicht zu wissen, was man kochen oder essen kann.
Kann jeder den Veganuary ausprobieren? Oder ist eine vegane Ernährung für manche Menschen nicht geeignet?
Iwan: Grundsätzlich kann jeder gesunde Erwachsene den Veganuary ausprobieren. Im Zweifelsfall kann man im Vorfeld eine Ernährungsberaterin oder seinen Arzt zurate ziehen.
Menschen mit einem empfindlichen Verdauungssystem sollten es langsam angehen lassen, denn eine rein vegane Ernährung erhöht den Ballaststoffanteil in der Nahrung stark, sodass es zu Beschwerden kommen kann. In diesem Fall zuerst bei einzelnen veganen Tagen bleiben.
Welche Tipps haben Sie für Neu-Veganer?
Iwan: Nachsichtig mit sich selbst sein! Die Umstellung auf eine rein vegane Kost ist ein grosser Eingriff in vertrautes und jahrelang trainiertes Einkaufs-, Koch- und Ernährungsverhalten.
Und Verhaltensänderungen dauern ihre Zeit. Da wird zwischendrin immer mal etwas schiefgehen, man wird vielleicht auch mal ein Stück Käse in den Mund stecken und hinterher denken «Oh nein!».
Eine gute Herangehensweise ist, zunächst einmal nur eine Mahlzeit des Tages vegan zu gestalten, also z.B. das Frühstück.
Und erst, wenn einem das vegane Frühstück in Fleisch und Blut übergegangen ist und man nicht mehr jeden Morgen überlegt «Was kann ich denn jetzt essen?», dann stellt man eine weitere Mahlzeit mittags oder abends um.
Auf diese Weise hat auch das Verdauungssystem genug Zeit, sich auf die neuen Lebensmittel einzustellen.
Auf welche Vitamine und Nährstoffe muss man besonders achten, wenn man sich vegan ernährt?
Iwan: Omega-3-Fettsäuren, Vitamin D, Vitamin B2 und B12, Kalzium, Eisen, Jod, Zink und Selen gelten als kritische Nährstoffe bei einer veganen Ernährung.
Das heisst jetzt natürlich nicht, dass sämtliche Veganer per se mit diesen Nährstoffen unterversorgt sind.
Aber es ist der Hinweis, dass man schon öfter mal eine Nährwerttabelle zur Rate ziehen sollte, um auszurechnen, ob man z.B. tatsächlich genügend Kalzium oder Eisen am Tag kommt.
Was halten Sie von Fleisch- oder Milchersatzprodukten als Teil der veganen Ernährung?
Iwan: Bei Ersatzprodukten schaue ich mir immer als Erstes die Zutatenliste an. Woraus ist das Produkt hergestellt?
Es bringt ja keinen Vorteil, auf tierische Produkte zu verzichten und stattdessen ein hoch verarbeitetes Podukt zu essen. Das wissen allerdings auch die Hersteller und verbessern die Produkte und die Auswahl stetig.
Grundsätzlich erleichtern die Ersatzprodukte die Umstellung, weil man Gewohntes mit einem ähnlichen Produkt ersetzen kann. Aber man darf eben nicht davon ausgehen, dass das vegane Ersatzprodukt das gleiche Nährstoffprofil aufweist, wie das tierische Produkt.
So enthalten beispielsweise Pflanzendrinks nicht die gleiche Eiweissmenge wie Kuhmilch. Einzige Ausnahme sind die Sojadrinks.
In den Ausgangsstoffen (Hafer, Reis, Mandeln u.ä.) ist zudem kein Kalzium enthalten. Kalzium muss also zugesetzt werden.