Finanzen: «Credit Suisse Saga zeigt, worauf es an der Börse ankommt»
Die Credit Suisse ist auch an den Finanzen gescheitert. Aber noch mehr an der Psychologie, die an der Börse zur Hälfte über den Erfolg entscheidet.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Credit Suisse scheitert an einer Verkettung unglücklicher Umstände.
- Die UBS erwirbt die Credit Suisse zu einem günstigen Preis.
- Das wichtigste Kapital an der Börse bleibt das Vertrauen.
«Whatever it takes» ist zum geflügelten Wort geworden. «Was auch immer nötig ist, unternehmen wir, um den Euro zu retten.» Dies posaunte Mario Draghi, damals Chef der Europäischen Zentralbank (EZB), in der Eurokrise in die Welt hinaus. Und die Finanzgemeinde verstand die Botschaft.
Den Euro gibt es immer noch, obgleich die Schulden der Eurozone höher denn je sind.
Wo war der Mario Draghi für die Credit Suisse? Weder der Nationalbankpräsident Thomas Jordan noch der Bundesrat machte sich für die über 160-jährige Grossbank mit Überzeugung stark.
Ihr zurückhaltender Auftritt verunsicherte die Investoren – und ebenso die Kundinnen und Kunden der Bank. Zusätzlich goss der Grossinvestor, Ammar Al Khudairy, Präsident der Saudi National Bank, Öl ins Feuer. Dies, indem er weiteren Kapitalzuschüssen flapsig eine Absage erteilte. Es fehlte das «Whatever it takes».
Murphys Law für Credit Suisse
Hätte, hätte, Fahrradkette. Vom ehemaligen Verwaltungsratspräsidenten Urs Rohner bis zu seinen Ex-CEOs Brady Dougan und Tidjane Thiam sind die Managementfehler bekannt. Doch letztlich scheiterte die Credit Suisse an einer Verkettung unglücklicher Umstände.
Noch bis vor drei Wochen betonten die Schweizerische Finanzmarktaufsicht Finma genauso wie der Konsens der Finanzanalysten: die Credit Suisse sei bezüglich der Finanzen solide aufgestellt.
Die Aktien der Credit Suisse holten Anfang Jahr auf. Doch wenn ein Sturm tobt – das war die Pleite der Silicon Valley Bank – triffts zuerst die schwächsten Bäume. Die Achillesferse der Credit Suisse bestand darin, dass ihr Kundengelder abflossen. Es fehlte ihr an nichts für eine Stabilisierung – ausser an Vertrauen.
Arbeitsplätze gefährdet
Notfallmässig wird jetzt ein Vorschlag von Banken-Urgestein Oswald Grübel Wirklichkeit. Die UBS schluckt die Credit Suisse für 3 Milliarden Franken. Eine Credit Suisse-Aktie kostet sie etwa 0,76 Franken, derweil das Papier an der Börse zuletzt bei 1,86 Franken schloss. Die Nationalbank sowie der Bund unterstützen die Übernahme finanziell, die Finma gibt grünes Licht.
Was bedeutet das? Rein finanztechnisch erwirbt die UBS ein attraktives Portfolio zu einem günstigen Preis. Das Schweizer Geschäft betreibt die Credit Suisse gemäss Jahresbericht rentabel. Im Hypothekarmarkt profitiert sie von den steigenden Zinsen.
Schlimmer sieht es für die Angestellten aus. Eine Bank braucht nicht zwei Marketing-, zwei Research-, zwei Personal-, zwei Legal & Compliance-Abteilungen. Tausende Arbeitsplätze sind gefährdet.
Finanzen: Schweizer Finanzplatz im Sinkflug?
Die Schweiz verdankt ihrem Finanzplatz viel. Noch trägt er über 9 Prozent zum Bruttoinlandprodukt bei. Und er kommt für über 7 Prozent der Steuern auf. Allerdings ist er seit der Finanzkrise von 2008 zurückgefallen, während London, New York und Hongkong um die Spitze wetteifern.
Wenn eine Schweizer Grossbank verschwindet, ist dies ein Signal das Anlegerinnen und Anleger rund um den Globus wahrnehmen. Es ist zu hoffen, dass dies ihr Vertrauen in die Sicherheit des Landes nicht nachhaltig erschüttert.
Rufe nach «mehr Staat» auf dem Finanzplatz sind verständlich, aber kontraproduktiv. Allein in der Covid-Zeit setzte der Bund selbst Milliarden in den Sand. Auch die Nationalbank fuhr 2022 einen Rekordverlust ein.
Die Inflationsgefahr unterschätzte sie lange. Die Schweiz verfügt bereits heute über die strengsten Eigenkapitalvorschriften. Verschärfte Spielregeln für Schweizer Banken würden wenig bringen, diese aber im internationalen Wettbewerb benachteiligen.
Vertrauen – der Anfang des Erfolgs
Die tragische Geschichte der Credit Suisse zeigt, was wir aus dem menschlichen Zusammenleben längst wissen sollten: Es braucht viel, um Vertrauen aufzubauen, aber wenig, um es zu zerstören. An der Börse gilt das erst recht.
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Zum Autor
Stephan Lehmann-Maldonado bringt zwei seiner Steckenpferde zusammen: die Faszination fürs Wirtschaftsgeschehen und jene für klare Kommunikation.
Schon während seines Finance-Studiums an der Universität Zürich hat er für Wirtschaftsmedien geschrieben. Später hat er sein Wissen in der Bankpraxis und beim Unterrichten von Lernenden vertieft. Heute führt er eine kleine Kommunikationsagentur.