Finanzen in Grün: Wer profitiert?
Nachhaltige Anlagen sind gut für die Anbieter, das Gewissen und die Finanzen. Aber nicht alle verbessern die Umwelt spürbar. Was macht den Unterschied?
Das Wichtigste in Kürze
- Die Summe nachhaltiger Anlagen in der Schweiz übersteigt das BIP.
- ESG-Anlagen beeinflussen die Umwelt nur am Rande positiv.
- Patente könnten ein spannender Indikator für Öko-Effizienz sein.
Als Kind war ich naturverbunden wie Idefix, der Hund von Obelix: Wo immer ein Baum gefällt wurde, jaulte ich auf.
«Ich möchte meine Diplomarbeit über Ökofonds schreiben», sagte ich später meiner Professorin an der Universität. Sie schaute mich zuerst ratlos, dann mitleidig an – und willigte schliesslich ein.
ESG-Eldorado – bald ausgeschöpft?
Seither sind viele Lenze verstrichen. Heute wirbt jede Bank, die etwas auf sich hält, mit Anlagen nach ESG-Kriterien. Das Kürzel steht für «Environement», «Social» und «Governance». Spätestens seit die Uno 2015 ihre 17 Nachhaltigkeitsziele vorgegeben hat, wittern Finanzanbieter in nachhaltigen Anlagen ein neues Eldorado.
Obwohl der Aufwärtstrend ins Stocken geraten ist, beläuft sich das Volumen in der Schweiz auf 1660 Milliarden Franken, gemäss der jüngsten Marktstudie des Forums Swiss Sustainable Finance. Das ist mehr als das Doppelte des Bruttoinlandprodukts.
Von über 2200 Studien zum Thema kommt die Mehrheit zum Schluss, dass der Einbezug von ethisch-ökologischen Kriterien beim Anlegen keine Rendite kostet – sondern den Finanzen sogar einen Schub gibt.
Positiver Effekt – vom Winde verweht
Weniger erforscht ist, was die ESG-Vehikel der Umwelt bringen. Zum Beispiel das «Center for Sustainable Finance and Private Wealth» (CSP) der Universität Zürich hat mal genauer hingeschaut. Demnach haben nachhaltige Anlagen das Potenzial, zur Lösung globaler Umweltprobleme beizutragen, lösen dieses Versprechen aber nur ungenügend ein.
Nehmen wir an, eine Anlegerin erwirbt Aktien des dänischen Windkraftanlagen-Herstellers Vestas Wind Systems. Der Erlös aus dem Aktienverkauf fliesst nun an den Verkäufer der Aktien – und nicht an das Unternehmen. Zwar beeinflusst die Nachfrage den Aktienkurs positiv, was theoretisch die Finanzierungskosten senken kann. Gerade bei börsenkotierten Konzernen fällt dieser Effekt kaum ins Gewicht.
Wer die Welt positiv verändern möchte, müsste also möglichst direkt in junge Firmen investieren, die an zukunftsträchtigen nachhaltigen Lösungen tüfteln. Solche Impact Investments erfordern jedoch ein höheres Risiko-Budget.
Es gibt einen weiteren Grund, weswegen ESG-Anlagen in Kritik kommen. Die ESG-Taxonomie lässt sich nämlich nicht aus Naturgesetzen ableiten, sondern bleibt ein Stück weit Ermessenssache. So wuchert ein Dschungel von Labels verschiedener Rating-Agenturen. Die EU-Kommission will ihn mit hundertseitigen Erlassen lichten, die Schweizer Behörden mit einer Art Gütesiegel – den Swiss Climate Scores. Auf dem Markt tragen die Bemühungen aber wenig Früchte.
Patente – besser als grünes Kleid
Eine interessante Alternative hat deshalb der deutsche Mathematiker Andreas Beck in petto. Sein Motto: «Taten statt Worte». Darum stöbert er nicht in den Nachhaltigkeitsberichten, um die Musterschüler unter den Unternehmen herauszufiltern, sondern in den Patentdatenbanken. Unternehmen mit vielen grünen Patenten in der Pipeline dürften den ökologischen Fussabdruck verringern.
Zusammen mit Lucas von Reuss hat Beck dem Buchstabentrio ESG noch ein I angehängt. Es steht für zweierlei: Innovation – und Impact. Auffällig ist, dass viele europäische Industriekolosse wie etwa Thyssenkrupp und Bayer mit Patenten auftrumpfen. Aber auch Toyota und Hyundai stehen besser da, als man es von Autobauern erwarten würde. Dagegen machen die US-Hightech-Giganten keine gute Figur.
Wer per ESGI Index auf die grünen Champions setzen will, muss sich allerdings etwas gedulden: «Voraussichtlich ab September lancieren wir mit einem Partner zwei ETF – börsengehandelte Fonds – mit den Namen GTI World und GTI World Small Cap. Dabei ist GTI die Kurzform von Green Transition Innovators», sagt Nicolas Kocher, Geschäftsführer der Index Consulting. Vielleicht wedelt Idefix ja schon freudig mit dem Schwanz.
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Zum Autor: Stephan Lehmann-Maldonado hat schon als Kind Münzen gesammelt und sich während seines Wirtschaftsstudiums an der Universität Zürich auf Banking und Finance spezialisiert. Parallel dazu, schrieb er bereits für Wirtschaftsmedien, unterrichtete als Handelslehrer und vertiefte sein Wissen in der Bankpraxis. Heute führt er eine Agentur für klare Kommunikation – und freut sich, wenn sich auch die Finanzbranche damit anfreunden kann.