Dorfleben: Trachten sind auf dem Land beliebter
Trachten haben sich im Laufe der Zeit weiterentwickelt, spiegeln aber immer noch die einzigartige Kultur und das Dorfleben wider. Das sagt ein Experte dazu.
Das Wichtigste in Kürze
- Auf dem Land sind Trachten beliebter und werden auch öfter getragen.
- Die Schweizerische Trachtenvereinigung zählt aktuell rund 12'000 Mitglieder.
- Der Volkstanz und Gesang sind beliebte Kursangebote.
Die Trachten in der Schweiz sind je nach Region sehr unterschiedlich, aber einige gemeinsame Elemente finden sich überall im Land.
Die Schweizerische Trachtenvereinigung besteht seit fast 100 Jahren. Mitglied und Experte Johannes Schmid-Kunz stand für ein Interview für Nau.ch bereit.
Nau.ch: Wie viele Mitglieder haben Sie und wie alt sind sie?
Johannes Schmid-Kunz: Die Schweizerische Trachtenvereinigung wurde am 6. Juni 1926 im Luzerner Grossratssaal gegründet. Sie zählt momentan circa 12'000 erwachsene Mitglieder, zudem sind ungefähr 3000 Kinder in ihren Nachwuchsgruppen tätig.
Die Mitgliederzahlen bewegen sich tendenziell nach unten, allerdings steigt der Anteil der Aktiven an der gesamten Mitgliederzahl stark an. Die Sympathisanten und Supporterinnen organisieren sich zunehmend ausserhalb der Trachtenvereinigung, so zum Beispiel in der eigenen Gönnervereinigung.
Nau.ch: Was zeichnet Sie als Trachtenverein aus?
Johannes Schmid-Kunz: Dies ist vor allem in der Tracht selber begründet. Die Trachten können heute beinahe als Oeko-Kleid bezeichnet werden. Sowohl die Stoffherstellung als auch die Verarbeitung geschieht beinahe ausnahmslos vor Ort.
Nischenbetriebe wie zum Beispiel das Heimatwerk Bauma leisten dabei eine wichtige Unterstützung. Zudem werden Trachten jahrelang getragen und müssen sich keinen kurzfristigen Modediktaten beugen.
Die der Trachtenvereinigung angeschlossenen Gruppen sind gesellschaftlich sehr offen. Es wird eine positive Willkommenskultur gepflegt, wobei die Schweizer Traditionen immer im Fokus des Vereinslebens steht.
Nau.ch: Wie läuft es mit dem Nachwuchs?
Johannes Schmid-Kunz: Die Nachwuchsarbeit ist auf dem Land erfolgreicher als in urbaner Umgebung. Das liegt vor allem am unüberblickbaren Vereins- und Freizeitangebot in der Stadt. Die Schweizerische Trachtenvereinigung versucht, die zahlreichen ehrenamtlich engagierten Leiterpersönlichkeiten zielgerichtet mit einem internen Weiterbildungsangebot zu fördern und auch zu motivieren.
Das Alpsteingebiet und die Zentralschweiz sind Hochburgen der erfolgreichen Nachwuchsarbeit, aber auch die Kantone Bern und Freiburg. Im Hinblick auf das Eidgenössische Trachtenfest 2024 in Zürich zeigen sich jüngst auch anderenorts erfolgsversprechende Initiativen.
Nau.ch: Haben Sie auch Mitglieder aus Städten oder handelt es sich vor allem um Dorfbewohner?
Johannes Schmid-Kunz: Die Trachtenbewegung war in den 20er-Jahren des 20. Jahrhundert zunächst eine kleinstädtische, vom Heimatschutzgedanken getragene Bewegung. Die Zentren waren Luzern, Baden, Olten und Lausanne.
In den 30er-Jahren breitete sie sich unter dem Einfluss des Bauernverbandes aber stark auf dem Lande aus. Organisationszentrum (Bürogemeinschaft mit dem Schweizer Heimatwerk) und damit Trachtenstadt Nummer eins blieb aber Zürich.
Trachtengruppen gibt es heute auf dem Land und in der Stadt. In Zürich ist die Stadtgruppe Volkstanzkreis Zürich eine der grössten im ganzen Kanton.
Nau.ch: Welches sind die beliebtesten Kurse?
Johannes Schmid-Kunz: Das Kursangebot der Trachtenvereinigung richtet sich nach deren Zielsetzung. Aus- und Weiterbildungskurse im Bereich Volkstanz sind sehr gefragt, weil sie in dieser Art nur von der Trachtenvereinigung angeboten werden. Der Schweizerische Gesamtchor hat mit dem Trachtenfest 2024 in Zürich ein grosses Ziel vor Augen.
Trachtenschneiderinnenkurse werden kantonal angeboten, aber unsere Organisation bietet sehr erfolgreich Kurse zur Pflege der Tracht an. Der grösste Hit im Kursangebot sind gegenwärtig Frisurenkurse: Zu einem schönen Kleid gehört eben auch eine schöne Frisur!
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Zum Interviewpartner
Johannes Schmid-Kunz hat ursprünglich Geschichte, Publizistik und Musikwissenschaft studiert. Seit Jahren ist seine Agentur für Kulturmanagement im Zürcher Oberland eine Drehscheibe für Volkskulturprojekte.
Schmid-Kunz ist Volksmusiker, Volkstanzleiter und Trachtenspezialist. Für sein vielseitiges Engagement in der Volkskulturszene wurde er 2021 mit dem Goldenen Violinschlüssel ausgezeichnet.