Für Tierschutz & Umwelt: Bund empfiehlt mehr pflanzliche Ernährung
Der Bund hat gestern seine neue Klimastrategie für Landwirtschaft und Ernährung vorgestellt. Die Strategie kommt auch dem Tierschutz zugute.
Das Wichtigste in Kürze
- Der Bund hat seine neue Klimastrategie für Landwirtschaft und Ernährung vorgestellt.
- Eines der Ziele ist es, dass die Landwirtschaft die Treibhausgasemissionen senkt.
- Ein wichtiger Hebel ist dabei, mehr pflanzliche, statt tierische Produkte zu essen.
Der Bund hat gestern seine neue Klimastrategie für Landwirtschaft und Ernährung vorgestellt. Sie zielt unter anderem auf einen erhöhten Konsum pflanzlicher Lebensmittel.
Organisationen, die sich für den Tierschutz einsetzen, begrüssen die Stossrichtung. Dennoch gibt es Kritik.
Ziel: Treibhausgasemissionen der Landwirtschaft senken
Ein wichtiges Ziel der Strategie ist es, die Treibhausgasemissionen der Landwirtschaft bis 2050 um 40 Prozent zu senken. Somit wird endlich auch die Landwirtschaft Teil der Reduktionsziele. Dies ist eine wichtige Neuerung.
Denn: «Die Landwirtschaft ist für fast 16% der Schweizer Treibhausgasemissionen verantwortlich. Trotzdem stagnieren sie seit 2000 auf dem gleichen Niveau und schiessen deshalb regelmässig weit über die Reduktionsziele hinaus.» Dies sagt Céline Schlegel, Geschäftsleiterin von Animal Rights Switzerland, einer Organisation, die sich für den Tierschutz einsetzt.
Wichtiger Hebel: pflanzliche Ernährung
Einen wichtigen Hebel sieht der Bund auch bei der Erhöhung des Anteils pflanzlicher Lebensmittel an unserer Ernährung. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse der letzten Jahre zeigen klar: Tierprodukte sind durchwegs schlechter für unsere Umwelt als pflanzliche Proteine.
Um den Anteil der pflanzlichen Lebensmittel auf dem Speiseplan zu erhöhen, plant der Bund verschiedene Massnamen. Die Wahlfreiheit der Konsumierenden soll weiterhin respektiert, aber das Wissen um nachhaltige Ernährung verbessert werden.
So sollen zum Beispiel die Kompetenzen für eine gesunde und nachhaltige Ernährung in den Schulen verbessert werden. Dies erklärt Françoise Tschanz, Mediensprecherin beim Bundesamt für Landwirtschaft auf Nachfrage von Nau.ch. Auch die allgemeinen Ernährungsempfehlungen sollen aktualisiert werden.
Tschanz betont aber auch, dass die Transformation zu einer nachhaltigen und pflanzlicheren Ernährung wirtschafts- und sozialverträglich erfolgen muss. Dafür sei es wichtig, dass die Landwirtschaft alternative wertschöpfungsstarke Aktivitäten entwickelt bzw. erschliesst.
Das Problem dabei: Der vom Bund favorisierte Wandel braucht Zeit. Aber um die Auswirkungen des Klimawandels zu bekämpfen, müssen jetzt klare Massnahmen ergriffen werden.
Eine Umsetzung der Massnahmen mit der nächsten Agrarreform in 7 Jahren komme für Klima und Tiere zu spät. Der 6. IPCC-Synthesebericht von diesem Frühjahr zeige klar, dass die nächsten paar Jahre entscheidend sind. Dies gibt Andreas Rüttimann zu bedenken, rechtswissenschaftlicher Mitarbeiter der Stiftung für das Tier im Recht.
Wichtigkeit pflanzlicher Lebensmittel erkannt
Einem effektiven Wandel zu mehr Tierschutz und weniger Treibhausgase steht noch eine weitere Hürde im Weg: Subventionen. «Denn aktuell erhalten Tierprodukte 82% der jährlich knapp 3 Milliarden landwirtschaftlichen Subventionen. Ein krasser Fehlanreiz, der die Leute von tier- und umweltfreundlichem Essen abhält.» Dies sagt Sarah Moser von der Veganen Gesellschaft Schweiz.
Besser wäre es, wenn landwirtschaftliche Subventionen zugunsten von pflanzlicher Produktion umverteilt würden, sagt Céline Schlegel gegenüber Nau.ch. «So können pflanzliche Produkte günstig und aus der Schweiz angeboten werden. In dieser Phase sollten Landwirte vom Bund unterstützt werden und finanzielle Hilfe für eine Hofumstellung erhalten.»
Weniger Fleisch ist gut für den Tierschutz
Der geringere Konsum von Tierprodukten würde auch eine Reduktion der Tierbestände zur Folge haben. Gerade für den Tierschutz ist das begrüssenswert. Denn in den letzten 20 Jahren hat sich die Anzahl geschlachteter Tiere auf 84 Millionen verdoppelt. Nach wie vor lebt ein Grossteil dieser Tiere in ethisch hochgradig problematischer Intensivhaltung.
Philipp Ryf, Co-Geschäftsleiter von Sentience und ehemaliger Co-Kampagnenleiter der Initiative gegen Massentierhaltung, meint dazu:
«Die meisten Tiere leiden auch hierzulande unter fragwürdigen Lebensbedingungen und sehen den Himmel nur am Tag ihrer Schlachtung. Eine allgemeine Reduktion der Tierbestände ist aus tierethischer Sicht darum klar die richtige Lösung». Ein erhöhter Anteil pflanzlicher Lebensmittel käme also nicht nur Umwelt und Gesellschaft, sondern auch dem Tierschutz zugute.
Ackerfläche für menschliche Ernährung statt für Tierfutter
Eine andere Massnahme der Strategie zielt darauf ab, ackerfähige Flächen vermehrt direkt für die menschliche Ernährung zu nutzen. Auch dieses Ziel trifft bei den Tierschutzorganisationen auf Zustimmung:
«Es ist sinnvoll, dass unsere Ackerflächen zunehmend für uns Menschen bepflanzt werden.» Auf dem Grossteil des Ackerlandes – auf rund 60% – würden Tierfutter wie Mais und Futtergetreide angebaut. «Ein Unding», so Céline Schlegel. «Nun müssen zwingend die Tierbestände sinken», fährt sie fort.
Strategie zu wenig ehrgeizig für Tierschutz und Klima
Trotz richtiger Stossrichtung sind die Tierschützer nicht völlig vom Strategiepapier überzeugt. «Die Strategie geht zwar in die richtige Richtung. Doch sie ist in Anbetracht der grassierenden Umweltprobleme und der unhaltbaren Lebensbedingungen der Tiere viel zu wenig ehrgeizig.
Der Fleischindustrie werden in der Strategie immer noch zu viele Zugeständnisse gemacht. Die Senkung der Tierbestände wird nicht klar verankert», kritisiert Andreas Rüttimann. Konsumenten können aber bereits jetzt Schritte in eine klima- und tierfreundlichere Richtung unternehmen. Céline Schlegel ergänzt gegenüber Nau.ch:
«Für die Umsetzung der Strategie braucht es eine Politik, die die Massnahmen einleitet und umsetzt. Hier können die Menschen mit ihrem Stimmzettel etwas bewirken und klimafreundliche Politik ermöglichen. Die nächste Gelegenheit dazu ist am 22. Oktober bei den nationalen Wahlen.»
Schlegel empfiehlt auch, bereits jetzt mehr pflanzliche Produkte zu konsumieren. «Dazu gehört, dass man neugierig und offen für neue Rezepte ist und einfach mal ausprobiert.»