Innovation: Pflanzlicher Käse in der Lebensmittelbranche
Vor einigen Jahren sorgte Käse ohne Kuh noch für einen mittleren Skandal. Heute werden die Produkte als vegane Innovation gefeiert.
Das Wichtigste in Kürze
- Vegane Produkte sind eine beliebte Innovation im Supermarkt.
- Der künstliche Analogkäse unterscheidet sich von pflanzlichem Käse.
- Die Zukunft liegt in der Präzisionsfermentation, ein Verfahren zur Proteingewinnung.
Laut einer «statista»-Statistik zufolge ernähren sich zurzeit 0,7 Prozent der Schweizer Bevölkerung vegan. Dies scheint zunächst nicht viel zu sein. Doch die Zahl hat sich von 0,3 Prozent im Jahr 2020 mehr als verdoppelt.
Unterschiede gibt es vor allem beim Alter und Geschlecht. So hat eine detaillierte Studie von Swissveg folgendes ergeben: Ein Prozent der Frauen ernährt sich vegan, aber nur 0,2 Prozent der Männer.
Nach Alter unterteilt gibt es unter den 14- bis 34-Jährigen wesentlich mehr Veganer (ein Prozent) als unter den Über-55-Jährigen (0, 3 Prozent).
Gross ist hingegen der Anteil der Flexitarier. Laut dem «Plant Based Food Report» von Coop aus dem Jahr 2023 bezeichnt sich 63% der Bevölkerung als flexitarisch. Das heisst, sie verzichten bewusst mehrmals im Monat auf tierische Lebensmittel.
Vegane Produkte im Supermarkt helfen beim Umstieg
Während der Verzicht auf Fleisch noch relativ leicht fällt, tun sich viele Menschen beim kompletten Verzicht auf alle tierischen Produkte schwer.
Dazu gehören schliesslich auch beliebte Lebensmittel wie Joghurt, Käse und Milch, die in zahllosen Backwaren und Müeslis stecken.
Vegane Ersatzprodukte sind daher eine gerne gesehene Innovation der Lebensmittelbranche.
Diese umfassen diverse vegane Fleischersatzprodukte vom Gemüseschnitzel bis zur Tofuwurst sowie andere Lebensmittel. Die Kategorie pflanzlicher Käse erlebt dabei einen besonderen Boom. Das war nicht immer so.
Der Aufreger Analogkäse
2009 sorgten Enthüllungen im deutschen Fernsehen für Aufregung, die auch die Schweiz erfasste: Die grossen Lebensmittelhersteller hatten anstelle von echtem Käse künstlichen Käse aus dem Lebensmittellabor in zahlreichen Fertigmahlzeiten verwendet.
Das Produkt, das auch Analogkäse genannt wurde, bestand vor allem aus Pflanzenfett und künstlichen Zusätzen. Eine Innovation, die vor allem die Kosten senken und somit die Gewinne erhöhen sollte.
Doch schon bald legte sich die Aufregung. Noch immer wird Analogkäse in der Lebensmittelindustrie verwendet. Er ist zum Beispiel auf der Fertigpizza zu finden. Dieser Käse ist aber nicht unbedingt vegan, denn er kann auch Milch und andere Molkereiprodukte enthalten.
Analogkäse ist besonders auf den Preis und die Anwendung in der Gastronomie und Lebensmittelindustrie optimiert. Er darf auf der Verpackung nicht als Käse deklariert werden.
Dieses Schicksal teilt der Analogkäse mit veganem Käse. Auch pflanzliche Käsealternativen dürfen auf der Verpackung nicht als solche deklariert werden.
In der Zutatenliste und Herstellung unterscheiden sich die vielen pflanzlichen Käsevarianten stark. Es gibt Käse, die wenig wertvolle Inhaltsstoffe liefern. Sie bestehen vor allem aus pflanzlichen Fetten, meist Kokosöl, Wasser, Aromen und Stärke.
Fermentierter Käse als Innovation gefeiert
Die Innovation der letzten Jahre sind aber pflanzliche Käsealternativen aus hochwertigen Zutaten wie Cashews oder Mandeln. Diese werden fermentiert und mit nur wenigen weiteren Zutaten ergänzt.
Auch deren Proteingehalt ist aufgrund der verwendeten Nüsse höher als bei Käsealternativen, die mit pflanzlichen Ölen hergestellt werden. So trumpft etwa ein Cashewkase mit 11 Gramm Protein pro 100 Gramm auf.
Generell haben jedoch vegane Käsealternativen einen geringeren Proteingehalt als Käse aus Kuhmilch. Die Alternativen können also nicht 1:1 als Proteinersatz gegessen werden. Dafür gibt es in der veganen Küche bessere Möglichkeiten, zum Beispiel Hülsenfrüchte oder Tofu.
Das Problem mit dem Kasein
Allerdings können auch diese neuen Innovationen ein grosses Problem der veganen Käsealternativen nicht beheben: Fehlendes Kasein.
Kasein macht den Hauptanteil an Proteinen im Käse aus. Es sorgt zudem für den guten Geschmack von Käse. Und es macht, dass Käse schmilzt und Fäden zieht. Ausserdem löst Kasein nach der Verdauung ein wohliges Gefühl im Körper aus.
Diese für den Käsegenuss entscheidende Zutat gibt es nur in tierischer Milch. Das heisst, keine pflanzliche Alternative kann das gleiche Genuss- und Wohlfühlerlebnis bieten wie das tierische Produkt.
Doch hier liegen die Hoffnungen auf einer weiteren Innovation: der Erzeugung von Kasein mithilfe von Präzisionsfermentation.
Bei der Fermentation handelt es sich um eine jahrhundertealte Technik, mit der beispielsweise Sauerkraut und Kimchi haltbar gemacht werden. Die Präzisionsfermentation ist ein weiterentwickeltes Verfahren davon.
Dabei nutzt man die Geninformation von Tieren, zum Beispiel Kühe, um gezielt Proteine – wie Kasein – herzustellen. Dafür wird in eine Mikroflora, bestehend aus Mikroorganismen wie Bakterien, Pilzen oder Hefe, das genetische Material des Tieres eingeführt.
Die Mikroorganismen ernähren sich von pflanzlichen Nährstoffen und wandeln diese in ein spezifisches Protein um. Dieser Prozess ist vergleichbar mit der Verwandlung von Zucker zu Bier durch Hefe während des Brauens.
Schliesslich werden die Proteine mit anderen Zutaten wie pflanzlichen Fetten kombiniert und zu veganen Produkten weiterverarbeitet.
Das Endprodukt enthält also Kasein, ohne tierische Milch zu enthalten. Geschmacklich sollen diese Käsearten kaum mehr vom Original zu unterscheiden sein. Noch sind Produkte, die mit Präzisionsfermentation hergestellt werden, nicht für den Verkauf zugelassen. Mit einer Markteinführung ist in zwei bis drei Jahren zu rechnen.