Pilgergeist & Weingenuss: Wandern auf dem Klostersteig
Es muss nicht immer der Jakobsweg sein. Im deutschen Rheingau führt der Wanderweg durch Reben: überraschende Entdeckungen und spirituelle Erlebnisse inklusive.
Das Wichtigste in Kürze
- Im deutschen Rheingau warten 30 Kilometer historischer Wanderweg auf interessierte Pilger.
- Highlights unterwegs sind mehrere, auch lebendige Klöster, und: Wein.
- Die Hallgarter Zange ist mit 580 Meter der höchste Punkt des sogenannten Klostersteigs.
Die erste Etappe auf dem Klostersteig startet auf einem handtuchschmalen Pfad. Über Geröll geht es steil bergauf von Eberbach zur Hallgarter Zange. 350 Höhenmeter auf nur vier Kilometern – der «Jakobsweg» des Rheingaus beginnt zäh.
Insgesamt stehen 30 Kilometer auf dem Plan. «Das sind etwa 45'000 Schritte», schätzt Wolfgang Blum. Der Geisenheimer begleitet etliche Male im Jahr Wandergruppen auf der Route durch die Weinregion.
Die Strecke verbindet die ehemaligen Klöster Eberbach bei Eltville und Marienhausen in Assmannshausen-Aulhausen.
Auf dem Weg liegen mit dem Franziskanerkloster Marienthal, der Zisterzienser-Gemeinschaft Nothgottes und den Benediktinerinnen von St. Hildegard drei lebendige Klöster. Der Klostersteig macht seinem Namen alle Ehre.
Wer den ersten Anstieg geschafft hat, der hat das Schlimmste hinter sich. «Der Gipfel Hallgarter Zange ist mit 580 Meter der höchste Punkt des Rheingauer Klostersteiges», so Blum.
Wein so weit das Auge reicht
Ab hier schlängelt sich der Klostersteig in sanftem Auf und Ab durch üppige Weinhänge. Hier reifen die Trauben für den berühmten Riesling.
Mal führt die Strecke über Forstpfade, meistens aber über die breiten Wirtschaftswege der Winzer.
In zwei Tagesetappen ist der Weg zu schaffen. Zwischendurch bleibt ausreichend Gelegenheit, in die Geschichte der Klöster und Ordensgemeinschaften einzutauchen. Und in die Geschichte des Weins im Rheingau.
Wein und Pilgern, passt das zusammen? Wanderführer Blum scheint auf diese Frage gewartet zu haben und hat eine griffige Antwort: «Welches Getränk wird in der Bibel häufig erwähnt? Wein!»
Viel Raum für spirituelle Gedanken
Am ersten Tag geht es vorbei an Schloss Vollrads, einem Gut, das nachweislich im Jahr 1211 zum ersten Mal Wein verkaufte. Und weiter bis Johannisberg. Hier ist die Hälfte des Weges geschafft.
Schmucklos ist das Innere der Basilika Schloss Johannisberg, es gibt kaum Skulpturen und Bilder. Doch gerade diese Kargheit lässt Raum für spirituelle Gedanken auf der Suche nach sich selbst.
Tag zwei auf dem Rheingauer Klostersteig: Nur etwas mehr als eine Stunde wandert die Gruppe, von Blum angeführt, auf dem Forstpfad im Elsterbachtal zum Kloster Marienthal.
Neun Franziskanerpatres bewahren hier heutzutage die Tradition aus dem 14. Jahrhundert; es gilt als einer der ältesten Wallfahrtsorte in Deutschland.
Durch die Rebenhänge geht es hoch zur Benediktinerinnenabtei St. Hildegard. Die heutige Kirche und das Kloster wurden erst ab 1900 errichtet.
Die rund 50 Benediktinerschwestern stehen aber in der Nachfolge der Heiligen Hildegard von Bingen, die um 1165 ein Kloster im benachbarten Eibingen gründete.
Die Reliquien der bedeutenden Natur- und Heilkundlerin des frühen Mittelalters bewahrt ein goldener Schrein in der Eibinger Pfarrkirche auf, ein wenig abseits des Klostersteiges.
Hier heisst der Wein Pilgertrunk
«Klostersteig, Rheinsteig und auch der Jakobsweg kommen an der Abtei St. Hildegard zusammen», erläutert Blum.
Manchmal treffen die Wandernden in den Weinbergen Schwester Thekla Baumgart bei der Arbeit. Sie ist Winzerin und leitet seit 1998 das Klosterweingut.
«Wir bewirtschaften sieben Hektar Rebenkulturen und keltern Riesling und Spätburgunder», erklärt sie.
«Als einzige Klostergemeinschaft in Deutschland betreiben wir aktiv Weinbau, von der Pflege der Rebstöcke über das Keltern bis zum Verkauf im Klosterladen und dem Online-Versand.» Pilgertrunk heisst folgerichtig einer der feinherben Rieslinge des Klosterweingutes.
Fünf letzte Kilometer auf dem Klostersteig markieren den Zieleinlauf. In Aulhausen erreichen Wandernde glücklich und auch zufrieden über den geschafften Fussmarsch das Kirchlein des ehemaligen Zisterzienserinnenklosters Marienhausen.
Und sind überrascht und «geflasht». Der helle Raum wird beherrscht von einer Christusskulptur, drei Meter hoch, aus dem Stamm einer 300 Jahre alten Eiche geschaffen.
«Christus breitet die Arme für die Wandernden weit aus», erklärt Pfarrer Kurt Weigel. Was für ein schöner Empfang.