Ärzte in Texas besorgt über Corona-Lockerungen
Die Gouverneure von Texas und Mississippi haben beinahe alle Corona-Vorschriften abgeschafft. Die Ärzte in Texas befürchten Schlimmes.
Das Wichtigste in Kürze
- Mississippi und Texas haben die Corona-Beschränkungen fast komplett aufgehoben.
- Nun meldet sich im bevölkerungsreichen Texas das Gesundheitspersonal und schlägt Alarm.
- US-Präsident Joe Biden wirft den beiden Gouverneuren «Neandertaler-Denken» vor.
Am Dienstag schrieb der Gouverneur von Texas auf Twitter: «Jetzt ist es an der Zeit, Texas 100 Prozent zu öffnen». Bereits einen Tag später liess Greg Abbott die Kapazitätsgrenzen für Restaurants sowie die Maskenpflicht aufheben.
Dieser Schritt wird nun von hochkarätigen Medizinern des US-Staates heftig kritisiert. Sie befürchten mit den Lockerungen einen erneuten Anstieg von Covid-19-Infektionen. Dabei weisen die Ärzte in einem Bericht von «NBC News» darauf hin, dass man für eine erneute Corona-Welle inzwischen zwar gut ausgerüstet wäre, es aber an Personal mangle.
Dr. James McDeavitt vom Baylor College of Medicine sagte gegenüber der Nachrichtenseite: «Wir haben die Fähigkeit, mehr Patienten zu versorgen. Das Problem ist aber, dass es für die Gesundheitsdienstleister an vorderster Front keine Ruhepause gab.»
Die Entscheidung von Abbott bezeichnete der renommierte Arzt als eine «Moral-Bremse». «Wir sind erschöpft, gestresst und befürchten, dass die Entscheidung die Pandemie verlängern könnte.»
Mediziner in Texas: «Entscheidung ist verfrüht»
Der Arzt bezeichnete die Entscheidung von Gouverneur Abbott zudem als «verfrüht». In Houston seien es immer noch 1000 Fälle pro Tag, so McDeavitt. Zudem würden täglich 200 neue Covid-Patienten in die Krankenhäuser eingeliefert. «Ja die Zahlen sind erheblich gesunken, aber das ist immer noch ziemlich hoch.»
Der Präsident und CEO von Houston Methodist, Dr. Marc Boom, sagte, das Schwierigste für seine erschöpften Mitarbeiter, sei das Wissen, «dass wir nur 90 bis 120 Tage von einer viel besseren Situation entfernt gewesen wären.».
Seine Mitarbeiter seien müde und man befinde sich noch immer inmitten der dritten Welle. «Jetzt erwarten wir alle eine vierte Welle.»
Diese Aussage von Boom, hat laut dem Bericht auch mit dem ungewöhnlichen Wintersturm im letzten Monat zu tun. Der Sturm sorgte in Texas für grossflächige Ausfälle des Stromnetzes.
Wegen der Kälte mussten viele Menschen ihre Häuser verlassen und in beheizten Notunterkünften verbringen. Dort war es kaum möglich, das Social-Distancing einzuhalten.
Einen Lichtblick gibt es aber laut den Ärzten auch in Texas. Sowohl Boom als auch McDeavitt sagten, dass dank der Impfstoffe jeder neue Anstieg nicht so schlimm sein wird, wie die vorherigen Infektionswellen.
McDeavitt konkret: «Ich denke, es wird einen weiteren Anstieg geben. Aber ich glaube nicht, dass dies das Ende der Welt sein wird. Am Ende des Tunnels ist ein Licht und es kommt näher.»
Mississippi-Gouverneur: «Nicht jeden Bürger vor Infektion abhalten»
Der Gouverneur von Texas, Greg Abott, wehrte sich schon früh in der Pandemie gegen die Auferlegung von Beschränkungen. Die Entscheidung alle Regeln komplett aufzuheben, überraschte dennoch viele Texaner.
Am selben Tag wie Abott, gab auch Mississippi-Gouverneur Tate Reeves bekannt, dass der das Maskenmandat seines Staates aufheben wird. Auch er ist Republikaner.
Mississippi Governor @tatereeves (R) on reopening: In my state, the numbers do not justify heavy interaction by the government. pic.twitter.com/zo1e2rtjPv
— Neil Cavuto (@TeamCavuto) March 4, 2021
Am Mittwoch sagte er gegenüber «Fox Business Network»: «Wir haben nie gesagt, dass wir versuchen, jeden einzelnen Bürger davon abhalten, sich mit dem Virus zu infizieren.»
Das Ziel sei es immer gewesen, die Integrität des Gesundheitssystems so zu schützen, dass jeder, der sich infiziere, mit qualitativ hochwertiger Pflege unterstützt werden könne, so Reeves.
Joe Biden wirft Gouverneuren «Neandertaler-Denken» vor
US-Präsident Joe Biden warf Abott und Reeves «Neandertaler-Denken» vor. «Ich glaube, dass es ein grosser Fehler ist», sagte der Demokrat am Mittwoch (Ortszeit) im Weissen Haus. Erst Ende Mai werde es genug Impfstoff geben, um alle erwachsenen Amerikaner impfen zu können.
«Das letzte, was wir brauchen, ist ein Neandertaler-Denken, dass in der Zwischenzeit alles in Ordnung ist.» Es sei «entscheidend», die von der Wissenschaft empfohlenen Schutzmassnahmen zu befolgen.
Abbott und Reeves wehrten sich am Mittwoch auf Twitter gegen Kritik. «Wir sind in der Lage, Covid einzudämmen und Texas sicher zu 100 Prozent zu öffnen», schrieb Abbott. Reeves kritisierte, Biden habe es als «Neandertaler-Denken» bezeichnet, den Menschen in Mississippi die Entscheidung zu überlassen, wie sie sich schützten.
President Biden said allowing Mississippians to decide how to protect themselves is “neanderthal thinking.”
— Governor Tate Reeves (@tatereeves) March 3, 2021
Mississippians don’t need handlers. As numbers drop, they can assess their choices and listen to experts. I guess I just think we should trust Americans, not insult them.
Diese Menschen bräuchten keine «Betreuer», schrieb der Gouverneur. «Ich denke, wir sollten den Amerikanern vertrauen und sie nicht beleidigen.»
US-Gesundheitsexperten: Lockerungen sind unüberlegt
Der Top-Immunologe und Biden-Berater Anthony Fauci nannte die Rücknahme der Schutzmassnahmen «unerklärlich» und «unüberlegt». Fauci sagte dem Sender CNN am Mittwochabend, bereits vor Monaten hätten die USA erlebt, wie die Fallzahlen wieder bedenklich zugenommen hätten, nachdem manche Bundesstaaten die Richtlinien der Experten nicht befolgt hätten.
Die Sprecherin des Weissen Hauses, Jen Psaki, übte Kritik an Politikern, die die Expertenratschläge seit Beginn der Corona-Krise nicht ernst genommen hätten. Die USA hätten seit einem Jahr mit der Pandemie zu tun, sagte Psaki am Mittwoch. «Und das gesamte Land zahlt den Preis für politische Anführer, die die Wissenschaft mit Blick auf die Pandemie ignoriert haben.»
Psaki betonte, Bidens Appell an die Amerikaner, in seinen ersten 100 Tagen im Amt Masken zu tragen, basiere auf Experteneinschätzungen, die davon ausgingen, dass so 50'000 Menschenleben gerettet werden könnten. «Wir müssen wachsam bleiben.»
Die Chefin der US-Gesundheitsbehörde CDC, Rochelle Walensky, mahnte: «Jetzt ist nicht die Zeit, alle Auflagen zu lockern.» Sie appellierte an die Menschen, sich weiter an die Vorsichtsmassnahmen zur Eindämmung der Pandemie wie das Tragen von Masken zu halten, «unabhängig von der Entscheidung des Bundesstaates».