Stromausfall und neue Massenproteste verschärfen Krise in Venezuela
Inmitten des wachsenden Chaos in Venezuela planen Regierung und Opposition ein neues Kräftemessen.
Das Wichtigste in Kürze
- Maduro-Regierung nennt Cyberangriff auf Wasserkraftwerk als Ursache.
Der selbsternannte Übergangspräsident Juan Guaidó forderte seine Anhänger auf, am Samstag «mit so viel Kraft wie noch nie» auf die Strassen zu gehen. Sein Gegenspieler Nicolás Maduro rief zu Grosskundgebungen gegen «Imperialismus» auf. Maduros Regierung warf den USA vor, mit einem Cyberangriff den Stromausfall verursacht zu haben, der das Land seit Donnerstag lähmt.
Der gigantische Stromausfall und die Aufrufe zu neuen Massenprotesten drohten die Krise weiter zu verschärfen. Die Regierung schickte schon am Samstagmorgen (Ortszeit) bewaffnete Polizisten zum Kundgebungsort der Opposition in der Hauptstadt Caracas. Abgeordnete der Opposition erklärten, in der Nacht seien drei Mitarbeiter beim Aufbau einer Bühne festgenommen worden.
In den meisten Stadtteilen von Caracas und im Südosten Venezuelas konnte die Stromversorgung am Freitagabend oder im Laufe der Nacht wiederhergestellt werden. In den anderen Landesteilen sassen die Menschen aber die zweite Nacht in Folge im Dunkeln.
Der Stromausfall hatte das Land am Donnerstag um 16.50 Uhr (Ortszeit, 21.50 Uhr MEZ) lahmgelegt. In Caracas kam es zu einem Verkehrschaos. In den Wohnhäusern fiel auch die Trinkwasserversorgung aus, weil das Wasser mit elektrischen Pumpen verteilt wird. Viele Menschen konnten nicht einmal mehr einkaufen, weil in Venezuela Bargeld-Mangel herrscht und sogar Brot elektronisch mit Karte bezahlt wird.
Die Telefon- und Internetverbindungen funktionierten am Sonntag teilweise wieder. Die U-Bahn in Caracas, die jeden Tag fast zwei Millionen Menschen befördert, fuhr aber immer noch nicht.
Auch in den Krankenhäusern herrschten weiter chaotische Zustände. Die meisten Kliniken haben keine Generatoren oder nutzen sie nur in Notfällen. Im Universitätsklinikum in Caracas starb eine Frau, weil ihr Beatmungsgerät nicht mehr funktionierte. Im grössten Leichenschauhaus in Caracas versagten die Kühlanlagen. «Wir können keine weiteren Leichen annehmen», sagte ein Angestellter.
Die genaue Ursache für den Stromausfall ist bislang unklar. Experten und die Opposition werfen der Regierung von Maduro vor, in der Vergangenheit nicht genug in die Infrastruktur investiert zu haben.
Maduro wirft dagegen den USA vor, einen «Stromkrieg» gegen sein Land zu führen. Der staatliche Energiekonzern Corpoelec sprach bereits am Donnerstag von einem «Sabotage»-Akt gegen das grösste Wasserkraftwerk des Landes.
Maduros Kommunikationsminister Jorge Rodríguez machte am Freitag einen «Cyberangriff» auf das Kontrollsystem des Wasserkraftwerks Guri verantwortlich, das 80 Prozent des Stroms für das Land produziert. Er kündigte an, einer Delegation von UN-Menschenrechtskommissarin Michelle Bachelet bei deren Besuch in wenigen Tagen «Beweise» für die Verantwortung der USA vorzulegen.
Verteidigungsminister Vladimir Padino sprach im staatlichen Fernsehsender VTV von einem «gezielten» Angriff der USA und kündigte einen «Einsatz» der Armee an. Einzelheiten nannte er allerdings nicht.
In Venezuela tobt seit Wochen ein Machtkampf zwischen Präsident Maduro und Oppositionsführer Guaidó. Guaidó will Maduro aus dem Amt drängen und Neuwahlen organisieren. Guaidó forderte seine Anhänger im Onlinedienst Twitter auf, am Samstag erneut gegen das «korrupte und unfähige Regime» auf die Strasse gehen, «das unser Land in die Dunkelheit gestürzt hat».