«Midterms»: Enges Rennen um die Zukunft der USA
Das Wichtigste in Kürze
- Gewinnen die Rechten um den früheren US-Präsidenten Donald Trump an Macht oder bekommt Amtsinhaber Joe Biden doch noch einmal deutliche Unterstützung? Selten stand bei den «Midterms» genannten Zwischenwahlen in den Vereinigten Staaten so viel auf dem Spiel wie am 8. November.
Was es zu den Abstimmungen zu wissen gibt:
Auf Bundesebene geht es um den Kongress
Die bedeutendsten Entscheidungen fallen zu den beiden Kammern des US-Kongresses. Die Wählerinnen und Wähler entscheiden über 35 der 100 Sitze im Senat und über alle 435 Abgeordneten im Repräsentantenhaus. Jeder der 50 US-Bundesstaaten stellt zwei US-Senatoren. Ihre Amtszeit dauert sechs Jahre – alle zwei Jahre wird rund ein Drittel von ihnen neu gewählt. Das Repräsentantenhaus wird dagegen alle zwei Jahre komplett neu bestimmt. Hier stellen die Bundesstaaten Abgeordnete gemäss ihrer Bevölkerungszahl.
In den Bundesstaaten fallen Tausende weitere Entscheidungen
Darüber hinaus gibt es Tausende weitere Abstimmungen. In 36 Staaten werden neue Gouverneure bestimmt. Es ist das mächtigste Amt in einem Bundesstaat, vergleichbar mit einem Ministerpräsidenten in Deutschland. In vielen Staaten werden zudem die eigenen Kongresse und einige andere Posten neu bestimmt – bis hinunter zur Sheriffs und Schulbeiräten, die vor Ort auch jeweils grossen Einfluss auf Strafverfolgung oder Unterrichtsstoff haben können.
Zur Wahl stehen auch viele Secretaries of State, zu deren Aufgabe oft die Wahlleitung gehört. Einige Republikaner, die dabei zur Wahl stehen, vertreten die unbelegte Ansicht, dass Donald Trump die Präsidentschaftswahl 2020 gewonnen habe. Manche von ihnen wollen Gesetze etablieren, mit denen sich Wahlleitungen über die Auszählungsergebnisse hinwegsetzen könnten. Viele Demokraten fürchten deshalb bei den «Midterms» auch ein Aushöhlen der freien Wahlen.
Abstimmung immer an einem Dienstag im November
Der US-Kongress hat im Jahr 1845 ein Gesetz beschlossen, wonach die Wahlen immer am Dienstag nach dem ersten Montag im November abgehalten werden sollen. In den stark landwirtschaftlich und religiös geprägten Vereinigten Staaten des 19. Jahrhunderts fiel die Wahl auf diesen Tag, weil damit zweierlei sichergestellt werden konnte: Einerseits waren Aussaat und Ernte bereits vorüber, während der harsche Winter noch nicht begonnen hatte, andererseits musste niemand an einem Gottesdienst-Sonntag die lange Reise hin zu einem Wahllokal antreten. Heutzutage gibt es häufig Kritik daran, dass der Wahltag kein Feiertag ist. Gerade Demokraten glauben, dass dadurch viele ihrer Anhänger die oft langen Schlangen am Wahllokal nicht in Kauf nehmen wollen.
Wahlberechtigt sind längst nicht alle erwachsenen US-Bürger
In den Vereinigten Staaten kann nicht jeder ab einem bestimmten Alter zur Abstimmung gehen. Stattdessen müssen sich Wahlwillige in ein Verzeichnis eintragen lassen und dabei auch angeben, ob sie als «Demokrat», «Republikaner» oder «Unabhängig» geführt werden wollen. 2020 waren laut Zensus rund 252 Millionen Amerikaner über 18 Jahren grundsätzlich wahlberechtigt, etwa 155 Millionen gaben eine Stimme ab – diese rund 67 Prozent waren für die USA ein sehr hoher Wert.
Wichtige Themen: Wirtschaft, Abtreibung, Demokratie
Je nach Parteipräferenz geben die Wähler in diesem Jahr stark unterschiedliche Themen an, die für sie besonders wichtig sind. In einer Umfrage des öffentlich-rechtlichen Radios NPR sagten Republikaner, dass für sie besonders Inflation, Einwanderung und Abtreibung wichtige Themen seien. Demokraten nannten als bedeutendste Themen Abtreibung, die Aufarbeitung des Sturms auf das Kapitol am 6. Januar 2021 und das Gesundheitssystem.
Auffällig ist auch eine hohe Unzufriedenheit mit Präsident Joe Biden. Laut einem Durchschnitt aus den jüngsten Umfragen der Statistikseite «Fivethirtyeight» befürworten nur knapp 42 Prozent der US-Amerikaner seine Politik, 53 Prozent lehnen sie ab – bei früheren Midterms waren solche Umfragewerte oft ein zuverlässiger Hinweis auf das Abschneiden der Regierungspartei.
Im Senat haben die Demokraten bessere Chancen
Hoffnungen setzen die Demokraten darauf, knapp den Senat zu halten. Derzeit besetzen sie dort 48 der 100 Sitze, zwei Unabhängige stimmen nahezu immer mit ihnen. Bei Gleichstand entscheidet die Vizepräsidentin Kamala Harris von den Demokraten. Bei dieser Konstellation kann es sich ihre Partei nicht leisten, auch nur einen einzigen Sitz zu verlieren.
Im Repräsentantenhaus sieht es für die Republikaner besser aus
Im House of Representatives haben die Republikaner deutlich bessere Chancen, ihren derzeitigen Rückstand von 212 zu 220 Abgeordneten zu ihren Gunsten zu drehen. Nach einem Zwischenhoch der Demokraten kurz nach dem umstrittenen Anti-Abtreibungsentscheid des Obersten Gerichtshofs haben die Konservativen inzwischen in Umfragen wieder deutlich bessere Karten. Deren Qualität ist jedoch in den USA nicht durchgängig hoch. Immer wieder trafen Institute in der Vergangenheit falsche Annahmen dazu, wer am Wahltag eine Stimme abgibt.
Auch geteilter Kongress kann wichtige Entscheidungen treffen
Zur Gesetzgebung braucht es in den USA sowohl Senat als auch Repräsentantenhaus. Den Gründervätern des Landes galt das als Garantie für Kompromisse und gemeinsame Entscheidungsfindung. Die Mehrheit in der kleineren Kammer des Kongresses ist aber trotzdem wichtig, denn der Senat allein entscheidet über die Ernennung von Bundesrichtern und damit über weitere Kandidaten für den derzeit extrem konservativ besetzten Obersten Gerichtshof.