Sollten US-Polit-Dinosaurier überhaupt kandidieren?
Mehrere wichtige US-Politiker sind bereits über 80 Jahre alt. Sollten diese «Dinosaurier» wirklich noch kandidieren? Eine Expertin schätzt ein.
Das Wichtigste in Kürze
- In den USA ist das Alter der Senatoren und Präsidentschaftskandidaten ein grosses Thema.
- Von Joe Biden (80), Donald Trump (77) bis zu fast 90-jährigen Senatoren gibt's kein Limit.
- Aber sind Politiker in diesem Alter überhaupt amtstauglich? Eine Expertin schätzt ein.
Im Hinblick auf den bevorstehenden US-Wahlkampf ist das Alter des aktuellen Präsidenten Joe Biden (80) immer wieder ein grosses Thema. Regelmässig macht der Senior mit Versprechern und seltsamem Verhalten Schlagzeilen.
Zuletzt hat aber ein Republikaner auf sich aufmerksam gemacht: Mitch McConnell hatte an gleich zwei Pressekonferenzen offenbar einen Total-Aussetzer. Der 81-Jährige zog sich bei einem Sturz im März eine Gehirnerschütterung zu.
Biden und McConnell sind aber bei weitem nicht die ältesten Dinosaurier im US-Politzirkus. Dazu muss man nicht weiter schauen als bis zum Kongress der Vereinigten Staaten.
Im Senat kratzen zwei Abgeordnete nämlich schon an der unglaublichen 90-Jahr-Marke: Sowohl Charles E. Grassley (Iowa) als auch Dianne Feinstein (Kalifornien) sind bereits 89-jährig. Der aktuell drittälteste Senator ist Ex-Präsidentschaftskandidat Bernie Sanders (81, Vermont).
US-Senat: Durchschnittsalter bei 64 Jahren
Das Durchschnittsalter der Abgeordnetenkammer liegt dadurch mit 64 Jahren mehr oder weniger beim Schweizer Pensionsalter. Die bisher bestätigten Präsidentschaftskandidaten der Demokraten sind aber deutlich älter: Joe Biden (80), Robert Francis Kennedy Junior (69) und Marianne Williamson (71).
Auch bei den Republikanern befinden sich die meisten Kandidaten in ihren 60ern oder 70ern: So beispielsweise Donald Trump (77) oder Mike Pence (64). Deutlich jünger ist hingegen Ron DeSantis (44), der aktuelle Gouverneur von Florida.
Baby Boomer «politisch engagierter»
Aber wieso sind viele Politiker in den USA so alt? «Insgesamt wird die amerikanische Gesellschaft älter, ähnlich wie auch in Westeuropa», erklärt die USA-Expertin Claudia Brühwiler von der Universität St.Gallen zu Nau.ch. Die Generation der Baby Boomer sei schon nur zahlenmässig überlegen, aber auch politisch engagierter als andere Generationen.
«Zudem haben Amtsinhaber jeweils einen Vorteil gegenüber Herausforderern. Das führt gerade im Senat zu langen Amtsdauern – und damit auch zu älteren Amtsinhabern», fügt die Professorin hinzu.
Das Alter eines Kandidaten dürfe ausserdem kein Ausschlusskriterium sein – das wäre Diskriminierung. Trotzdem wäre eine Mehrheit der Amerikaner für eine Altersbeschränkung bei politischen Ämtern, so Brühwiler. «Es wird angeführt, dass der hohe Altersschnitt in der Politik zu Stagnation führt und weniger repräsentativ ist.»
Wie der Fall von McConnell zeige, führe es auch zu «Verunsicherungen und Lücken», wenn «derart erfahrene Senatoren gesundheitsbedingt ausfallen». Dass Präsidentschaftskandidaten wegen ihres Alters ungeeignet sein könnten, glaubt Brühwiler aber nicht.
«Fakt ist, dass die wenigsten von uns nur schon allein den Wahlkampf körperlich durchstehen würden – kurze Nächte, viele Reisen, hohe Belastung und ein enormer Erwartungsdruck. Das Amt bedarf einer enormen Leistungsfähigkeit und -bereitschaft», betont sie. Diese brächten nicht nur körperlich fitte Personen mit.
Schweizer Regierung deutlich jünger
In der Schweiz sind über 70-jährige Mitglieder der Landesregierung eine absolute Ausnahme. Mit 72 Jahren war Ueli Maurer vor seinem Rücktritt der älteste Bundesrat seit der Einführung der «Zauberformel» im Jahr 1959. Der allerälteste seit der Gründung des Bundesstaates war Adolf Deucher (†81), der 1912 nach einer Krankheit im Amt verstarb.
Auch das Parlament ist eher jung. Nach den letzten Wahlen im Herbst 2019 lag das Durchschnittsalter im Nationalrat bei 49 Jahren.